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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Die Cloud-Strategie der ERBER Group

17.04.2015
Gerhard Grün, Chief Information Officer von der ERBER Group, im Interview über Futtermittel & Forschung in der Wolke

Bei österreichischen Unternehmen gehören Cloud Services im Vergleich zu einigen anderen EU-Ländern noch eher selten zur generellen IT-Strategie. Nur jeder achte Betrieb nutzt die Vorteile von Cloud Computing, um dadurch seine Produktivität und sein Entwicklungspotenzial zu steigern bzw. um sich besser auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können. Die Erber Group, ein heimischer, global agierender Futter- und Lebensmittel-Produzent, hat diesen Trend längst erkannt und bestimmte „Dienstleistungen aus der Wolke“ bereits hochrangig postiert. Themen, die dabei für den CIO Gerhard Grün im Vordergrund stehen, sind Networking und Kollaboration.

Die IT-Ressourcen von Unternehmen wandern mehr und mehr ins Netz. Für Unternehmen liegt darin die Chance, Daten und Anwendungen kostengünstig zu beziehen – unter Einhaltung der strengen Compliance- Bestimmungen. Dennoch gilt Österreich im internationalen Vergleich als Nachzügler, was die Nutzung von Cloud Computing anlangt. Nur jedes achte Unternehmen verwendet ein kostenpflichtiges Cloud Service. Am ehesten stehen große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern (24 %) diesen IT-Diensten aufgeschlossen gegenüber. Das belegt eine im Herbst 2014 durchgeführte Erhebung der Statistik Austria. Die meisten Unternehmen (mehr als die Hälfte) verwenden Cloud Services bisher vor allem für die Datenauslagerung – als Speicherplatz für Dateien und E-Mails. Etwa ein Drittel der Cloud-Nutzer verwendet das Service für Bürosoftware. Bei kleineren Unternehmen kommen Cloud Dienste kaum zum Einsatz: Neun von zehn Betrieben mit unter 50 Beschäftigten verzichten auf eine kostenpflichtige Datenauslagerung. Die Hälfte dieser Unternehmen nennt als Grund das Sicherheitsrisiko, 43 Prozent geben an, unzureichendes Wissen zu haben. Mängel und Vorurteile wie diese sind in Österreich weit verbreitet und schränken viele Unternehmen in ihrer Produktivität und Entwicklungsfähigkeit massiv ein. Denn laut IDC-Analysten kommt die sogenannte “3rd Platform” innerhalb der IT (mit den Säulen Cloud, Mobility, Social und Big Data) derzeit in eine sehr wichtige Phase. Diese wird als “Innovation Stage” bezeichnet und ist durch eine wahre Explosion an Innovationen and neuen Technologien (Innovation Accelerators) gekennzeichnet. Wer diese Entwicklung verschläft, wird in den kommenden Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Markt verschwinden, so der IT-Experten und EuroCloud Österreich-Chef Tobias Höllwarth. Es gibt aber auch hierzulande weitsichtige Unternehmen und Vorreiter, die die zukunftsweisende Bedeutung solcher Innovation Accelerators wie Cloud Computing längst erkannt haben. Die Erber Group, ein österreichisches, global agierendes Unternehmen, das mit den vier Divisionen Biomin, Romer Labs, Sanphar und Future nachhaltige Zusatzprodukte für die Landwirtschaft und Analysetools für Futter- und Lebensmittel erforscht und produziert, ist einer von ihnen. Denn die IT ist in der Erber-Organisation hochrangig postiert. Themen, die dabei im Vordergrund stehen, sind Networking und Kollaboration. CIO Gerhard Grün, der neben der IT und deren Strategie auch für die Business Projects verantwortlich ist: „Wenn wir eine neue Technologie wie ,virtuelle Server‘ implementieren, lassen wir uns gerne bei der Erstellung helfen, schauen zu – und wenn alles läuft, arbeiten wir auf dieser Oberfläche weiter. Kleinere Problemchen können wir selbst lösen, bei gröberen holen wir Hilfe“. Grün ist direkt dem Vorstand für Personal, IT und Prozesse unterstellt, erhält in gewissen Gremien direkte Informationen und kann dem entsprechend auch effektiv neue Möglichkeiten darstellen. „Der Vorteil eines Familienunternehmens ist, dass schnell Entscheidungen getroffen werden. Es herrscht ein gutes Vertrauensverhältnis – was einiges beschleunigt“, so der IT-Chef.

Outsourcing auf gesharten Plattformen
Im Gegensatz zu vielen anderen österreichischen Betrieben beschäftigt sich die Erber Group schon recht lange mit Cloud Computing. Als Beispiel nennt Gerhard Grün das Hosting der Homepage, eine Recruiting-Plattform, einen FileSharing Service und den SPAM Filter. Aktuell laufen Vorbereitungen, um das ERP-System als IaaS (Infrastructure as a Service) in der Cloud zu betreiben. „Anschließend werden wir weitere Services wie Mailgateway und Collaboration andenken“, so der CIO. „Cloud ist für mich Outsourcing auf geteilten Plattformen und bringt somit neue Möglichkeiten. Konkret habe ich das Thema tiefer gehend aufgegriffen, um diese neuen Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem Bau des Serverraumes am neuen Erber Campus zu betrachten.“ Die Anforderungen an die Daten sind dabei sehr vielfältig – u.a. müssen sie schnell, sicher, billig, dynamisch und flexibel, zugleich aber starr bzw. standardisiert sein. Grün: „Ein Data-Center für all diese Anforderungen zu bauen würde bedeuten, in das gemeinsame Vielfache investieren zu müssen. Also haben wir uns hier gezielt mit Services aus der Cloud beschäftigt“. Die daraus resultierende Cloud Strategie unseres Unternehmens zielt nun darauf ab, die beiden Extreme schnell/sicher/starr und billig/dynamisch als IaaS auszulagern und den gemischten Mittelbau selbst zu hosten.“ Zur Cloud-Strategie meint Grün: „Diese betrifft einerseits die Definition, wie wichtig diese Daten für uns sind. Müssen sie 7x24 verfügbar sein, dann reicht unsere Infrastruktur im Haus nicht aus und da benötigen wir dann einen externen Anbieter. Der umgekehrte Effekt sind Daten, die zwar wichtig sind und gesichert werden, aber eben nicht ständig verfügbar sein müssen.“

Drei wesentliche Cloud-Bereiche
Grundsätzlich teilt Gerhard Grün Cloud Computing in drei Bereiche: „Die Private Cloud, wo man sich seine Services selber hostet und entsprechend für die Infrastruktur aufkommen muss. Die Public Cloud, etwa mit Self Service Portalen im Baukastensystem, was aber den Nachteil einer oftmals fixen Standardisierung hat. Und drittens die Domestic Cloud, die lokale Anbieter bedienen. Hier gibt es ein anderes Security-Verständnis und die sind auch so flexibel, genau auf unsere Bedürfnisse eingehen zu können. So kann ich lokale Services oder z.B. shared Plattformen mit einem Data-Storage oder einem lokalen Server verknüpfen und dort meine Private Firewall platzieren, um Vernetzungen durchzuführen.“ Die Technik in der Erber Group dominiert heute als zentrales ERP (Enterprise-Resource-Planning), das alsAnwendungssoftware die bedarfsgerechte Planung und Steuerung von unternehmerischen Ressourcen umfasst (Kapital, Personal, Material, Betriebsmittel, IT-Systeme, Warenbestand, Logistik).„Die Niederlassungen greifen über Terminal Clients online darauf zu“, so der CIO. Wenn die Verbindung nicht funktioniert, müssen die Mitarbeiter ihre Zeit anderweitig effizient nutzen – auch bedingt durch die Zeitverschiebung: „Noch können wir keinen 24-Stunden-Support offerieren“, erklärt Grün. „Unsere Niederlassungen bestehen in der Regel aus rund zehn Mitarbeitern pro Standort, teilweise nur aus zwei, bis hin zu den größten Fabriken mit 30, 50 oder in Brasilien sogar bis zu 100 Mitarbeitern.“ Dabei seien die technischen Voraussetzungen nicht ideal. „In Brasilien ist die Internetleitung noch auf Holzmasten platziert“, so der IT-Manager. „Wenn jetzt, wo Kupfer teuer ist, Diebe den Mast abbrennen, um an das Kabel zu kommen, stehen wir am nächsten Tag ohne Leitung zur Fabrik da. Wir bedienen uns des reinen Internets. Das heißt, Quality of Service gibt es da nicht. Wir müssen eben versuchen, mit günstigen Techniken trotzdem gute Anbindungen zu schaffen.“

Verfügbarkeit und Unabhängigkeit
Sein zweiter IT-Fokus besteht darin, die global verstreuten Mitarbeiter zueinander zu bringen und eine enge Zusammenarbeit zu gewährleisten (u. a. mithilfe der Social Media). Dabei wird versucht, die vorhandene Umgebung weiter auszubauen – wenn nötig durch Beiziehen von Dritt-Tools: „Alles unter Bedacht, Schnittstellen zu vermeiden und möglichst zu vereinfachen – in Richtung Homogenisierung und Standardisierung“, so Grün. Was innerhalb der Erber Group keine so große Rolle spielt, sind Echtzeitinformationen: „Unser Geschäftsmodell ist nicht so zeitkritisch.“ Wichtig hingegen sei eine gut funktionierende Storage-Technologie. Grüns bisherige Erfahrung: „Je mehr Systeme ich in dem virtuellen Konzept laufen habe, desto höher ist die Ausfallsicherheit und desto mehr Ressourcen kann ich nutzen. So ist mit dem Geschmack der Hunger gekommen. Und dem Geschäft bekommt es gut.“ Durch den künftig vermehrten Einsatz von Cloud Computing erwartet sich der CIO „eine höhere Verfügbarkeit“. Hier sei nicht zuletzt die Energieversorgung ein wesentlicher Faktor. Grün: „Für die entsprechende Bereitstellung braucht man große Dieselgeneratoren, große Batterien für unterbrechungsfreie Stromversorgung“. Nachdem der neue Standort, der Erber Campus, auch ein ökonomisches und optisches Vorzeigeobjekt werden soll, wird die Verwendung von Dieselgeneratoren, auch in Bezug auf die Wartung, derzeit diskutiert. Die Idee: Cloud-Anbieter zu nutzen, die genau solche Infrastrukturen haben. Bei allen Überlegungen spielt nicht zuletzt das Thema Unabhängigkeit eine maßgebliche Rolle. „Es ist mir wichtig, dass wir auch ein eigenes Data-Center benutzen“, stellt Grün fest, „denn ich möchte eine gewisse Unabhängigkeit für wichtige Daten bei uns behalten können. Das bedeutet, wir brauchen auch interne Ressourcen, um diese Verantwortung wahrzunehmen“. In diesem Zusammenhang ist dem CIO die Unterscheidung zwischen IaaS und SaaS besonders wichtig: „SaaS bietet mehr Service, verlangt aber eine höhere Standardisierung und bedeutet eine gewisse Abhängigkeit in Bezug auf Versionierung und Datendurchgriff. Bei IaaS habe ich viel mehr Gestaltungsfreiraum, muss mich aber auch entsprechend darum kümmern.“

Generalisten innerhalb gelebter IT-Kultur
Für die Einbeziehung von IT-nahen Tools und damit auch Cloud-Diensten gibt es in der Erber Group laut Grün keine Policy, sondern eine gelebte Kultur, die die Mitarbeiter zur gezielten und sinnvollen Anwendung veranlasst. „Offene Worte, Vertrauen und gute Services verstärken diese Kultur“, so der CIO. Für die Mitarbeiter der Fachabteilungen muss es nicht nachvollziehbar sein, ob das Service inhouse oder extern gehosted wird. „Deswegen ist es wichtig, dass die IT immer involviert wird, damit das beste System und mögliche, notwendige Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden.“ Um all diesen und künftigen Anforderungen zu entsprechen, sollten Mitarbeiter im IT Bereich vor allemGeneralisten sein, so Grün, „mit dem Wunsch nach Eigenverantwortung“. Er habe seine Mitarbeiter bis dato nicht auf IT-Kurse geschickt, sondern auf Kurse für Persönlichkeitsentwicklung. „Meine Mitarbeiter sind halbe Projektleiter, die das Unternehmen kennen und die Technik verstehen.“ Die Herausforderung dabei sei, den richtigen Bedarf zu erkennen, die richtigen Lösungen dafür zu finden und diese dann gemeinsam mit Hersteller und Fachabteilung zu implementieren und am Leben zu halten. „Ob bzw. wie viel Technik wir dabei selbst angreifen, ist von Projekt zu Projekt verschieden.“

Cybersecurity und Cloud Computing am AIT Austrian Institute of Technology
Vor dem Hintergrund der Forschungsschwerpunkte auf dem Gebiet von Cybersecurity und Cloud Computing engagiert sich auch das AIT im Kontext der Initiative „TrustInCloud“. "Cloud Computing Ansätze sind treibende Faktoren für Geschäftsmodell- und Prozessinnovationen und werden unseren Umgang mit IT- Systemen grundlegend verändern. Die zukünftige globale Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Wirtschaftsstandortes wird wesentlich davon abhängen, ob wir diesen Technologietrend für unsere Anforderungen richtig gestalten. Damit nun vor allem Cyber Security und Datenschutzanforderungen inhärent in IT-Systemen aber auch Prozessen eingebaut werden, braucht es einen umfassenden Diskurs aller beteiligten Stakeholder. Aus diesen Grund unterstützen wir Initiativen wie "<link research-services research-services-digital-safety-security ict-security trust-in-cloud-tic _blank external-link-new-window external link in new>Trust in Cloud.", so Helmut Leopold, Head of Digital Safety & Security Department.

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