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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

High Tech schlägt Brücken in die Zukunft

30.06.2023
Die ÖBB-Infrastruktur AG arbeitet mit den Partnern AIT Austrian Institute of Technology, TÜV AUSTRIA, HBK, FCP/VCE/Strucinspect, Schimetta und der TU Graz an den Bahnanlagen von morgen

Die Bahn steht vor den größten Herausforderungen ihrer Geschichte. 2030 muss Österreich mit der Hälfte des heute verbrauchten Diesels und Benzins auskommen. Entsprechend müssen die Kapazitäten der Bahn erhöht werden. Die ÖBB wollen die Leistungsfähigkeit des Systems Schiene bis 2040 verdoppeln, und schon bis 2030 soll die Zahl der zurückgelegten Zugkilometer von 160 Millionen auf 200 Millionen steigen.
 

Für die Infrastruktur der Bahn bedeutet das enorme Belastungen, speziell für Brücken.  Bei der ÖBB-Infrastruktur AG sind mehr als 8700 Brücken im Netz, davon sind 1447 Stahlbrücken in Betrieb. Diese Stahlbrücken erreichen oftmals eine Lebensdauer von über 100 Jahren, damit dies möglich ist, sind zuverlässige Konstruktionen, detaillierte Zustandsprognosen und vorrausschauendes Instandsetzen und Erneuern im Sinne des Predictive Maintenance erforderlich.

Eisenbahnverkehr auf Stahlbrücken über einem Zeitraum von bis zu 100 Jahren führt über kurz oder lang zu Materialermüdung. Um diese Materialermüdung besser zu verstehen, die Lebensdauer der Stahlbrücken besser einschätzen zu können, die Mittelverwendung besser steuern zu können und ein pünktliches Eisenbahnnetz anbieten zu können sind zusätzliche Erkenntnisse, basierend auf Monitoring, Bruchmechanik und Digitalisierung erforderlich. Im Rahmen des Forschungsprogrammes COMET wird im Projekt Rail4Future intensiv mit zahlreichen Partnern an diesem Thema gearbeitet.

Unter anderem werden Brückenkonstruktionen im Maßstab eins zu eins bis zum Versagen beansprucht und die zugehörigen Bruchmechanismen beobachtet. Mitte Mai fand hierzu im ÖBB-Brückenwerk in St. Pölten ein Großversuch an dem ausgebauten Tragwerk der Pinkabachbrücke statt – zusammen mit den Partnern HBK, TÜV AUSTRIA, AIT, FCP/VCE/Strucinspect, Schimetta und der TU Graz.

Judith Engel, Christian Chimani

Judith Engel, Christian Chimani

ÖBB-Infrastruktur AG-Vorständin Judith Engel stellte im Rahmen der Veranstaltung fest: „Anti-Aging, Vorsorge-Untersuchung, Ermüdungserscheinungen - das klingt persönlichem Gesundheitsprogramm, die Rede ist aber heute von der Alterung unserer Stahlbrücken. Genau geht es heute um ein Forschungsprojekt zur besseren Prognose der Restlebensdauer, zur Erforschung der Ermüdung und letztlich wollen wir mit Hilfe moderner Sensorik wissen, wie und wann Versagen eintritt. Ziel für unsere Stahlbrücken im Bestand ist die Verlängerung der Lebensdauer bei verlässlichem und vorhersehbarem Zustand, die Brücken werden damit länger fit und auch digital.“

Christian Chimani, Head of Center for Low-Emission Transport am AIT Austrian Institute of Technology, führte aus: „Stahl- und Zementerzeugung sind äußerst energieintensive Prozesse. Die Verlängerung und Optimierung des Lebenszyklus von Verkehrsinfrastrukturbauwerken ist somit ein ganz entscheidender Beitrag auf dem Weg zu einer klimaverträglichen Mobilität. Mittels neuartiger Verfahren zur Zustandsbewertung wie der lokalen faseroptischen Messung von Bauteilsverformungen oder dem Einbezug von aktuell auf der Strecke gemessenen Achslasten gewinnen wir umfassende Informationen, die wir in digitale Simulationsmodelle von bestehenden Bahnbaubrücken integrieren. Dies ermöglicht eine treffsichere Instandhaltungsplanung, verlängert den Lebenszyklus von Infrastrukturbauwerken deutlich und eröffnet somit ein enormes CO2-Einsparungspotenzial.“

Gerald Lackner, Produktmanager von RISE bei TÜV AUSTRIA, geht genauer auf die Zustandsbeurteilung der Brücke ein: „Das Thema Rissüberwachung an Brückenbauwerken wird seit einigen Jahren gemeinsam mit den ÖBB erforscht. TÜV AUSTRIA ist es gelungen, ein schlankes, effektives und mobiles System für die Brückeninspektion zu entwickeln. RISERemote Inspection System Edge ist spezifisch für die Online-Langzeitüberwachung von Rissen konzipiert. Das System dient dabei als wirksame Sicherheitsmaßahme für den weiteren Betrieb der Brücke.“ Sensoren erfassen die durch Materialermüdung getriggerte Schallemission im Tragwerk, welche im Messystem vor Ort (RISE Core) verarbeitet werden. Die Daten werden dann an TÜV AUSTRIA gesendet, algorithmisch verarbeitet und schlussendlich der Brückeninspektion mit einer Zustandsaussage mittels Dashboard visualisiert.