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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Rissen im Edelstahl auf der Spur

05.12.2022
AIT und voestalpine BÖHLER Edelstahl entwickeln intelligentes Prüfverfahren, das automatisiert Fehler in Hochleistungsstahl-Erzeugnissen findet und so die Ressourceneffizienz in der Produktion steigert.

Die voestalpine BÖHLER Edelstahl GmbH & Co KG stellt Hochleistungsstähle und Nickelbasislegierungen für die internationale Luftfahrt-, Automobil- sowie Öl- & Gasindustrie her. Ein Zwischenprodukt bei der Produktion von Edelstahlerzeugnissen sind sogenannte „Knüppel“ – diese haben einen quadratischen Querschnitt und werden zur weiteren Verarbeitung gewalzt. Für die Qualität der Endprodukte ist es entscheidend, dass diese Walzknüppel an ihrer Oberfläche keine Fehler wie zum Beispiel Schlackeneinschlüsse oder Risse aufweisen. Diese würden sich beim Walzen vergrößern und die Eigenschaften der Endprodukte beeinträchtigen.

Wird ein derartiger Defekt an der Oberfläche erkannt, wird der Knüppel weiter geschliffen, bis die Oberfläche einwandfrei ist. Über die optimale Schleifbehandlung und die Zahl der nötigen Schleifdurchgänge entscheiden derzeit Mitarbeiter:innen, die die Oberfläche optisch nach Fehlern absuchen.

Das AIT Prüfsystem während der Inspektion eines sog. Walzknüppels aus Stahl.

Mehrere Betrachtungs- und Beleuchtungswinkel

Den Expert:innen des AIT Center for Vision, Automation & Control (VAC) ist es in Kooperation mit voestalpine BÖHLER Edelstahl gelungen, ein innovatives Prüfverfahren zu entwickeln und zur Industriereife zu bringen. Dazu nahmen die Forscher:innen bei der Art, wie ein Mensch ein Objekt prüft, Anleihe. „Meistens kann man Defekte im Sub-Millimeter-Bereich nur unter einem bestimmten Betrachtungs- bzw. Beleuchtungswinkel erkennen. Wenn eine Person ein Objekt inspiziert, betrachtet sie es daher aus verschiedenen Richtungen“, erläutert Petra Thanner, die am Center VAC forscht und das Projekt leitet. Dies wird von der am AIT entwickelten „Inline Computational Imaging (ICI) Technologie“ nachgeahmt: Dabei ist eine Kamera fix über einem Prüfgegenstand installiert, der sich darunter bewegt. Beleuchtet wird die Szene aus vier verschiedenen Richtungen; diese sind so gewählt, dass der Unterschied zwischen Rissen und normalen Schleifspuren möglichst klar hervortritt.

Die rohen Kamerabilder, auf denen die Defekte jeweils unterschiedliche Schattenwirkungen haben, werden im nächsten Schritt mithilfe von Photometrie-Verfahren weiterverarbeitet: Dabei wird zusätzlich zu detaillierten und kontrastreichen 2D-Bildern auch ein exaktes 3D-Modell der Oberfläche berechnet, in dem sich Oberflächendefekte noch deutlicher abzeichnen.

Künstliche Intelligenz erkennt Risse

Um diese Strukturen nun entweder als normale Schleifriefen oder als Fehler einzustufen, kommen Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz: Ein künstliches Neuronales Netz wurde mit unzähligen Kamerabildern trainiert, bei denen zuvor händisch gekennzeichnet wurde, um welche Art von Oberflächenstruktur es sich handelt. Das KI-System lernte, unerwünschte Defekte sicher zu erkennen und in den Kamerabildern farblich zu kennzeichnen

Das vom AIT entwickelte Prüfsystem ist mittlerweile als Pilotanlage bei voestalpine BÖHLER Edelstahl implementiert: In einem kompakten Gehäuse, das die Sensoren und die Elektronik vor den rauen Umgebungsbedingungen schützt, prüft es direkt neben der Schleifkammer die Oberflächen der vier Knüppelseiten mit einer Genauigkeit von 50 Mikrometern bei einer Geschwindigkeit von 24 Metern pro Minute. Die Ergebnisse werden auf einem Bildschirm deutlich erkennbar angezeigt.

AIT liefert ganzheitliche Lösung

Mithilfe dieses Assistenzsystems müssen die Mitarbeiter:innen den Prüfstand nun nicht mehr für die zeitintensive optische Inspektion verlassen. Das erleichtert nicht nur den betreffenden Personen die Arbeit, sondern ermöglicht darüber hinaus eine bessere Ausnutzung der Maschinen, da nun kein Stillstand der Schleifanlage während der Prüftätigkeit erforderlich ist. „Die Mitarbeiter:innen waren bei der Entwicklung bereits stark eingebunden und sind jetzt dabei, das System zu nutzen und weiterzuentwickeln.“, berichtet Betriebsleiter Peter Markiewicz bei voestalpine Böhler Edelstahl.

"Dieses Verfahren beweist einmal mehr die Leistungsfähigkeit des am AIT entwickelten ICI-Verfahrens, das bereits in vielen Anwendungsbereichen, wie zum Beispiel bei der Banknotenprüfung oder im Halbleiterbereich, eingesetzt wird. Mit dem neuen Prüfsystem können künftig die Ressourceneffizienz in der Stahlproduktion gesteigert und die Mitarbeiter:innen entlastet werden", so Petra Thanner.

 

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