Die Verbesserung der Materialeigenschaften bei gleichzeitiger Verkürzung der Produktionszeit ist bei der Herstellung von Leichtmetallprodukten von großem Interesse. Die makroskopischen Materialeigenschaften der Endprodukte stehen in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der Materialmikrostruktur während der Produktion. Sowohl die plastische Verformung als auch die Wärmebehandlung bewirken signifikante Veränderungen des Werkstoffgefüges. Folglich werden die wichtigsten mechanischen Materialeigenschaften, z.B. die Festigkeit oder die Verformbarkeit, direkt beeinflusst.
Um Produktionsprozesse kosten- und zeiteffizienten zu gestalten und damit die Produkte mit spezifischen Materialeigenschaften herstellen zu können, ist ein tiefgehendes Verständnis der Produktionsprozesse erforderlich. Da experimentelle Untersuchungen zeit- und kostenintensiv sind, können numerische Simulationen des Produktionsprozesses ein großes Potenzial erschließen. Sie ermöglichen ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und dadurch eine effizientere Gestaltung der Produktionsprozesse.
Die LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen GmbH hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Vorhersage der Gefügeentwicklung in verschiedenen Fertigungsschritten beschäftigt. Dabei werden insbesondere Prozesse wie Erstarrung (Gießen, Additive Manufacturing), Massivumformung (Walzen, Strangpressen, Schmieden) und Wärmebehandlung (Homogenisieren, Lösungsglühen, Altern) betrachtet. Die Wissenschaftler am LKR beherrschen die entsprechenden Modellierungstechniken und greifen zur Validierung von Simulationsergebnissen auf die langjährige Expertise des LKR bei der Werkstoffcharakterisierung und der semi-industriellen Verarbeitung zurück.
Typische Herausforderungen an die Materialmodellierung während der Halbzeugherstellung: Einbeziehung einer Prozesshistorie (linke Abbildung) und Berechnung simultaner mikrostruktureller Phänomene (rechte Abbildung)
Das Expertenteam für computergestützte Werkstoffwissenschaften löst täglich die Probleme der (mehrskaligen) Materialmodellierung für die Halbzeugherstellung in der Leichtmetallindustrie und darüber hinaus. Zu den typischen Fragestellungen gehören die Einbeziehung einer Prozesshistorie in die Modellierung der Gefügeentwicklung von der Erstarrung bis zur Metallumformung (durch Prozessmodellierung) und die Berechnung simultaner mikrostruktureller Phänomene wie z.B. Ausscheidungskinetik und Korngrößenänderung. Die rasche Entwicklung neuer Technologien, wie z.B. die Additive Fertigung, fördern die Entwicklung entsprechender Werkstoffmodelle auf der Grundlage der Erfahrungen mit konventionellen Verarbeitungstechnologien. Um die Unsicherheiten in der Werkstoffmodellierung, wie die Anpassung unbekannter Modellparameter und bekannte Modelllücken/Annahmen überbrücken zu können, werden unter anderem die Algorithmen des maschinellen Lernens eingesetzt. Ziel ist es, das physikalisch basierte Wissen in eine datengetriebene Modellierung zu integrieren und die hybriden Modelle zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens in Bezug auf mikrostrukturelle Phänomene und Prozessbedingungen zu entwickeln.
Expertise
Numerische Simulationen unter Verwendung etablierter kommerzieller und Open-Source-Software sowie eigener Modell-/Software-Entwicklungen.
- Ab-initio Berechnungen der elektronischen Struktur mit Hilfe von quantenchemischen Computerprogrammen.
- Thermokinetische Modellierung von Mehr-Komponenten\Phasen\Partikel Ausscheidungen durch CALPHAD-basierte Modelle.
- Simulation der Gefügeausbildung während der Erstarrung und deren Entwicklung bei der thermo-mechanischen Weiterverarbeitung mit Hilfe von selbstentwickelten Materialmodellen.
- Simulation des Materialverhaltens auf Makroebene mit Hilfe von Finite-Element-basierten Lösern und Implementierung der entwickelten Materialmodelle.
- Anwendung von Algorithmen des maschinellen Lernens zur Entwicklung datengetriebener und hybrider Materialmodelle.