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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

DATA BRATA

Ein digitales Sinnessystem für die Produktion

Wie das LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen mit einer mobilen Daten- und KI-Plattform Qualität früh sichtbar und Prozesse messbar effizient macht

Mit DATA BRATA stellt das LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen ein modulares Technologie-Framework vor, das Datenanalyse und maschinelles Lernen direkt in industrielle Prozesse integriert. Das System, derzeit im Pilotbetrieb, versteht sich als Function-as-a-Service (FaaS) und Research-as-a-Service (RaaS) – und soll es insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ermöglichen, datengetriebene Qualitäts- und Effizienzsteigerungen ohne hohen Implementierungsaufwand zu realisieren.

Systemprinzip: BRATA – Boxed, Reconfigurable, Adaptive, Transportable, Analysis

Der Name steht für ein klar strukturiertes Systemkonzept: Boxed, Reconfigurable, Adaptive, Transportable, Analysis. DATA BRATA ist eine mobile Daten- und KI-Plattform, die unmittelbar an Maschinen andockt, Signale in Echtzeit verdichtet und daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableitet. Ziel ist es, Qualitätsabweichungen frühzeitig zu erkennen, Ausschuss zu minimieren und Ressourcen effizienter zu nutzen – bei minimalem Integrationsaufwand.

DATA BRATA ist wie ein digitales Sinnessystem gedacht: Sensoren sehen, hören und fühlen Kräfte, Wege, Schwingungen, Akustik und Temperatur. Eine zeitsynchrone Datenpipeline übernimmt die Rolle der Nervenbahnen, und auf der Edge verdichtet die KI die Signale zu Entscheidungen“, erklärt Michael Denk, technischer Verantwortlicher des Projekts. Entscheidend sei dabei die Reihenfolge: Domänenwissen zuerst, dann Sensorik und Datenarchitektur, schließlich KI. Nur so ließen sich belastbare Ergebnisse ohne übermäßigen Overhead erzielen.

Von der Erfahrung zur Datentiefe: Domänenwissen als Grundlage

Die Grundlage für ein funktionierendes System bildet umfassendes Domänenwissen – aus Werkstofftechnik, Prozesskunde, Elektrotechnik und Datenwissenschaft. Nur wenn dieses Fachwissen systematisch in Architektur, Sensorik und Modellierung einfließt, können KI-Modelle die realen Prozessdynamiken präzise abbilden. DATA BRATA folgt diesem Prinzip konsequent: Die Technologie ist darauf ausgelegt, nicht nur Daten zu erfassen, sondern diese im Kontext physikalischer Zusammenhänge zu interpretieren und damit verlässliche Aussagen über Qualität und Prozesszustand zu ermöglichen.

Praxistest am LKR: Zeitsynchrone Erfassung und maschinelles Lernen

Am LKR-Standort Ranshofen wurde das System bereits auf einer 250-Tonnen-Hydraulik-Tiefziehpresse erprobt. Dabei wurden über mehrere tausend Bauteile zeitsynchron erfasst und analysiert. Bewusst eingebrachte Abweichungen – etwa Mikrorisse oder Unterschiede im Vormaterial – dienten als Trainingsbasis für Zeitreihenanalysen und Machine-Learning-Modelle.

„Die Ergebnisse zeigen klare Frühindikatoren für Prozessabweichungen und Werkzeugverschleiß – noch bevor diese das Qualitätsgate erreichen“, berichtet Dr. Carina Schlögl, Prokuristin am LKR. „Damit lassen sich Material- und Energieeinsatz signifikant reduzieren.“

Die Versuchsreihen belegen, dass das System Prozessverhalten nicht nur erfassen, sondern auch interpretieren kann. Die Verbindung aus Sensorik, maschinellem Lernen und domänenspezifischem Wissen schafft damit eine Grundlage für belastbare Vorhersagen und nachhaltige Prozessoptimierung.

KI als Ergänzung zum Erfahrungswissen

Das zugrunde liegende Paradigma „Sehen. Hören. Fühlen.“ orientiert sich an den menschlichen Sinnen. Was erfahrene Produktionsmitarbeitende intuitiv wahrnehmen, wird durch Sensorik und KI in digitale Muster übersetzt. Das Ziel ist, Erfahrungswissen zu ergänzen und verfügbar zu machen – gerade vor dem Hintergrund, dass dieses Wissen in vielen Betrieben immer schwerer zu sichern ist.

Indem Daten direkt an der Maschine erhoben, auf der Edge verdichtet und in Dashboards visualisiert werden, entsteht eine Grundlage für kontinuierliche Prozessbewertung. Die KI kann dabei Schwankungen in der menschlichen Wahrnehmung ausgleichen und objektive, wiederholbare Analysen liefern. So wird Fachwissen skalierbar und konstant nutzbar – unabhängig von Tagesform oder Erfahrung der Bedienenden.

Perspektiven für Industrie und KMU

Für Branchen wie Metallverarbeitung, Automobil- oder Luft- und Raumfahrttechnik eröffnet DATA BRATA einen praxisnahen Weg zur Echtzeit-Qualitätssicherung. Das Framework ist mobil, adaptiv und skalierbar – es lässt sich an bestehende Anlagen anbinden und Schritt für Schritt erweitern.

Im nächsten Entwicklungsschritt sucht das LKR Pilot- und Early-Adopter-Partner, die gemeinsam mit dem Forschungsteam den Übergang auf eine höhere Technology Readiness Level (TRL)-Stufe gestalten.

Damit wird aus den Pilotierungen in Ranshofen ein konkreter Pfad in die industrielle Serie – und ein Beitrag dazu, Datenkompetenz, Prozessverständnis und KI-Anwendung systematisch zu verbinden.