Nachhaltige Anodenmaterialien für die Batterien von morgen
Ein europäisches Forschungsprojekt entwickelt innovative Nanokomposite aus recyceltem Silizium für leistungsfähige und umweltfreundliche Lithium-Ionen-Batterien.
Wie lassen sich Lithium-Ionen-Batterien gleichzeitig leistungsfähiger, sicherer und nachhaltiger machen? Welche Technologien braucht es dafür – und wie können wir anwendungsorientierte Forschung zielgerichtet betreiben, um Grundlagenkonzepte aus dem Labor näher an die industriellen Anforderungen zu bringen? Mit diesen Herausforderungen befasst sich das europäische Forschungsprojekt RESTINA (REcovered Silicon / TIN Sulphide Nanocomposite Anode Materials for Generation 3b Lithium Ion Batteries). Ziel ist die Entwicklung neuer Anodenmaterialien, bei denen technologische Innovation eine zentrale Rolle für Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit spielt – getragen von einem internationalen Konsortium aus Forschung und Industrie unter der Leitung des AIT Austrian Institute of Technology.
Innovation durch Recycling und skalierbare Syntheseverfahren
Der Fokus von RESTINA liegt auf der Entwicklung leistungsstarker Anodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien der Generation 3b. Der technologische Kern: Nanokomposite aus recyceltem Silizium – gewonnen aus ausgedienten Photovoltaikmodulen – und Zinnsulfid (SnS₂). Diese neuartige Materialkombination vereint die hohe spezifische Kapazität von Silizium mit der guten elektrischen Leitfähigkeit von Zinnverbindungen.
Im Ladeprozess sollen an der Grenzfläche der Anodenpartikeln (Si/Li₂S und Sn/Li₂S) Heterostrukturen entstehen, die die Funktion haben, mechanische Belastungen – verursacht durch die Volumenänderung der Aktivmaterialien – abzufedern und die langfristige Stabilität der Anode zu verbessern. Mit diesem neuartigen Ansatz versucht RESTINA gezielt die Herausforderungen herkömmlicher Si-basierter Anoden, wie Partikelbruch, Instabilität der SEI-Schicht (Solid Electrolyte Interface) oder geringe Leitfähigkeit, zu adressieren.
Materialien gestalten, statt nur zu testen
RESTINA verfolgt einen ganzheitlichen Materialentwicklungsansatz, der Synthese, Oberflächenmodifikation, Strukturaufklärung und Skalierung vereint. Zur Herstellung der Si/SnS2-Komposite werden zwei komplementäre, industriell skalierbare Herstellungsverfahren eingesetzt und evaluiert: der solvothermische Prozess in umweltfreundlichen Lösungsmitteln und das hochenergetische Kugelmahlen.
Darüber hinaus werden zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit kohlenstoffbasierte Schutzschichten entwickelt, die die Partikeloberflächen stabilisieren. Diese Beschichtungen ermöglichen nicht nur eine sichere Handhabung in Luft, sondern auch die wasserbasierte Verarbeitung der Elektroden – ein wichtiger Schritt hin zu grüner Batterietechnologie. Zudem erlaubt dieser Ansatz das spätere Recycling der Elektrodenmaterialien in wässrigen Medien ohne schädliche Nebenreaktionen.
Vom Material zur Zelle
Als Projektkoordinator verantwortet das AIT Austrian Institute of Technology zentrale Aufgaben im Projekt RESTINA – von der Materialentwicklung bis zur Zellfertigung. Am AIT werden die Si/SnS₂-Nanokomposite nicht nur entwickelt, sondern auch auf ein industriekompatibles Produktionsniveau skaliert. Darüber hinaus erfolgt hier die Herstellung von Generation-3b-Pouch-Zellen mit Kapazitäten zwischen 2 und 5 Ah – unter Einsatz der neuartigen Anodenmaterialien kombiniert mit und hoch-Ni Kathodenmaterialien. Zur Beschichtung der Anoden und Kathoden werden umweltfreundliche, wasserbasierte Verarbeitungsprozesse eingesetzt.
Gemeinsam mit der Universität Lüttich untersucht das AIT die elektrochemischen Alterungsmechanismen der Materialien. Die Universität Wien liefert dazu grundlegende Erkenntnisse zu Phasendiagrammen, Kristallstrukturen und thermodynamischen Eigenschaften des Si/SnS₂-Systems. Der Industriepartner FRIMECO Produktions GmbH bringt seine Expertise in die skalierbare Synthese und Beschichtung der Nanokomposite ein.
Ziel des Projektkonsortiums ist es, bis 2025 einen Technologiereifegrad (TRL) von 4 zu erreichen – ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltigen Hochleistungsbatterien „made in Europe“.
„Wir stehen bei der Batterieforschung vor der Herausforderung, Materialleistung, industrielle Machbarkeit und ökologische Verantwortung zusammenzubringen. RESTINA verfolgt genau diesen integrierten Ansatz: Wir kombinieren recyceltes Silizium mit innovativer Materialchemie und nachhaltiger Verarbeitung, um eine neue Klasse leistungsfähiger Anodenmaterialien für kommende Batteriegenerationen zu entwickeln. Das Projekt zeigt, wie Materialforschung konkret zur Energiewende beitragen kann – von der Idee bis zur Pilotzelle“, erläutet Dr. Damian Cupid, Senior Scientist am AIT Austrian Institute of Technology und Projektleiter von RESTINA.