Die internationale CARTESIAN-Studie bestätigt: Eine Covid-19-Infektion kann die Blutgefäße messbar altern lassen – selbst nach milden Verläufen. Besonders betroffen sind Frauen. Experten des AIT Austrian Institute of Technology sind im wissenschaftlichen Komitee vertreten und bringen ihre langjährige Erfahrung in der Pulswellenanalyse sowie ihre Rolle im europäischen Netzwerk VascAgeNet ein.
Beschleunigte Gefäßalterung nach Infektion
Die CARTESIAN-Studie (Covid-19 effects on ARTErial StIffness and vascular AgeiNg), veröffentlicht im European Heart Journal, untersuchte Daten von 2.390 Personen aus 16 Ländern. Sechs Monate nach einer Infektion zeigte sich in allen Covid-19-Gruppen – von milden Verläufen bis zu intensivmedizinisch behandelten Fällen – eine erhöhte Steifigkeit der Arterien. Besonders bei Frauen war der Effekt deutlich: Schon nach milden Infektionen entsprach die Veränderung einer Alterung der Gefäße um rund fünf Jahre. „Durch die internationale Vernetzung in der COST Action VascAgeNet konnten wir innerhalb kürzester Zeit klinische Zentren weltweit für die Studie gewinnen, obwohl das Hauptaugenmerk der klinischen Partner zu diesem Zeitpunkt auf der Akutbehandlung ihrer Covid-19 Patient:innen gelegen ist“, betont Christopher Mayer Medical Signal Analysis Team des AIT Center for Health & Bioresources.
Methodik und AIT-Beitrag
Die Forschenden nutzten die Messung der Pulswellengeschwindigkeit (PWV), den international anerkannten Goldstandard für arterielle Steifigkeit. Das AIT arbeitet seit Jahren an der Verbesserung dieser Methoden – etwa mit Algorithmen zur Signalverarbeitung und deren Einsatz im klinischen Alltag.
Die CARTESIAN-Studie wurde von der Artery Society gemeinsam mit dem europäischen Forschungsnetzwerk VascAgeNet initiiert. In beiden Strukturen sind AIT-Forschende eng eingebunden: Christopher Mayer war Koordinator der COST Action VascAgeNet und Bernhard Hametner Mitglied des Executive Committee der Artery Society. Beide sind Teil des wissenschaftlichen Komitees von CARTESIAN. „Wir konnten unsere Expertise bezüglich Pulswellenanalyse und unsere Kontakte zu Herstellern von Geräten zur nicht-invasiven Messung der Gefäßalterung in der Studienplanung auf Grund meiner Rolle in der Fachgesellschaft einbringen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat es ermöglicht rasch auf die besonderen Gegebenheiten zu reagieren und die internationale Studie zu initiieren.“, erklärt Bernhard Hametner.
Frauen besonders betroffen – mögliche Ursachen
Die Daten zeigen, dass Frauen deutlich stärker betroffen sind als Männer. Eine mögliche Erklärung liegt in den unterschiedlichen Immunreaktionen: Frauen entwickeln zwar eine schnellere und robustere Abwehr, die kurzfristig schützt, langfristig, aber zu stärkeren Gefäßschäden führen kann. Auffällig war zudem der Zusammenhang mit Long-Covid-Symptomen wie chronischer Müdigkeit oder Atemnot, die besonders häufig bei Patientinnen mit erhöhter Gefäßsteifigkeit auftraten.
Teilweise reversibel, aber klinisch relevant
Eine gute Nachricht liefert die Nachuntersuchung nach zwölf Monaten: Während die Kontrollgruppe im gleichen Zeitraum eine altersbedingte Verschlechterung zeigte, stabilisierten sich die Gefäßwerte bei vielen Covid-19-Betroffenen oder besserten sich leicht. Auch Impfungen erwiesen sich als Schutzfaktor, da Geimpfte im Schnitt niedrigere PWV-Werte aufwiesen. Trotz dieser positiven Tendenz bleibt die klinische Relevanz hoch: Schon kleine Veränderungen der Gefäßsteifigkeit erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Künftig sollen die Teilnehmenden der CARTESIAN-Studie weiter begleitet werden, um zu klären, ob die beschleunigte Gefäßalterung tatsächlich zu einem höheren Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall führt.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich Covid-19 weit über die akute Infektion hinaus auswirkt. Für das AIT bestätigt die Beteiligung an CARTESIAN die strategische Bedeutung der Pulswellenanalyse und die enge Zusammenarbeit in internationalen Netzwerken. Damit tragen die Expert:innen von AIT wesentlich dazu bei, die langfristigen Folgen von Covid-19 wissenschaftlich zu verstehen – und die Grundlage für präventive Maßnahmen im Gesundheitswesen zu legen.