Das AIT Austrian Institute of Technology arbeitet an der Entwicklung eines tragbaren Blutdruckmessgeräts ohne Manschette, welches an der Fachhochschule Wiener Neustadt (FHWN) getestet wird. Dieses Gerät soll präzise Vitalparameter erfassen und die tägliche Überwachung des Blutdrucks erleichtern.
Die traditionelle Blutdruckmessung mit Manschette ist zwar etabliert, aber im Alltag oft unpraktisch und umständlich. Menschen, die ihren Blutdruck regelmäßig kontrollieren müssen, stehen vor der Herausforderung, sperrige Geräte zu nutzen, die nicht immer leicht zu handhaben sind. Obwohl Smartwatches und andere Wearables bereits Funktionen zur Messung von Vitaldaten bieten, erfüllen sie häufig nicht die hohen medizinischen Anforderungen an Genauigkeit und Zuverlässigkeit.
Innovativer Lösungsansatz durch DigiPIT
Im Projekt DigiPIT, gefördert vom Land Niederösterreich, entwickelt das Center for Health and Bioresources des AIT ein kompaktes Blutdruckmessgerät, das ohne Manschette auskommt. Das Gerät ist handlich, passt in jede Tasche und kann innerhalb weniger Sekunden präzise Vitalparameter erfassen. Über die Verbindung mit Smartphones oder Tablets werden die Daten nach hohen medizinischen Standards ausgewertet. Nun geht der Prototyp in einer Studie an der FHWN in die nächste Testphase.
"Unser Ziel ist es, die Blutdruckmessung so unkompliziert wie möglich zu gestalten, ohne dabei an Genauigkeit einzubüßen," sagt Martin Bachler vom AIT Austrian Institute of Technology. "Durch diese innovative Technologie hoffen wir, einen Beitrag zur Verbesserung der Präventions- und Therapiemöglichkeiten bei Bluthochdruck leisten zu können."
Validierungsstudien an der Fachhochschule Wiener Neustadt
Die Fachhochschule Wiener Neustadt unterstützt das Projekt durch umfangreiche Validierungs- und Anwendbarkeitsstudien. Am City Campus der Hochschule kommen modernste Messtechniken zum Einsatz, die es ermöglichen, physiologische Reaktionen wie Blickbewegungen, Hautleitfähigkeit oder Herzfrequenz präzise zu messen.
Ergebnisse der ersten Studien
Drei experimentelle Studien wurden konzipiert, um den Prototyp unter verschiedenen Bedingungen zu testen:
- Vergleich mit herkömmlicher Messung: In der ersten Studie, durchgeführt von September 2022 bis Januar 2023, wurden die Trends in den Messergebnissen des Prototyps jenen der traditionellen Manschettenmessung verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass der manschettenlose Prototyp zuverlässig Veränderungen von Blutdruck und Herzfrequenz erfassen kann, auch unter körperlicher und geistiger Belastung.
- Eignung für Biofeedback-Anwendungen: Die zweite Studie, die von September 2023 bis August 2024 lief, untersuchte, ob das Gerät präzise Rückmeldungen der Blutdruckveränderungen in Echtzeit liefern kann. Dies ist insbesondere für Anwendungen im Bereich des Biofeedbacks relevant, bei denen Patienten durch unmittelbare Rückmeldungen lernen können, ihren Blutdruck durch Entspannungsübungen selbst zu beeinflussen. Das wiederum kann bei der Behandlung von leichtem Bluthochdruck anstelle eines Medikamentes verwendet werden.
- Validierung und Gebrauchstauglichkeit: Die aktuell laufende dritte Studie konzentriert sich auf die Validierung der Benutzerfreundlichkeit des Geräts. Dabei wird untersucht, wie das Gerät im Alltag eingesetzt werden kann und wie Nutzer mit der Bedienung zurechtkommen.
Technische Details und Messmethoden
Das neue Gerät nutzt eine Kombination aus einem einkanaligen Elektrokardiogramm (EKG) und einem Finger-Photoplethysmogramm (PPG), um die Pulswellenlaufzeit (Pulse Transit Time, PTT) zu messen. Diese Technologie ermöglicht es, den Blutdruck indirekt zu bestimmen, ohne dass eine Manschette erforderlich ist. Die Messung der PTT steht in engem Zusammenhang mit der Veränderung des Blutdrucks und dem Zustand des kardiovaskulären Systems. Im neuen Prototyp misst nun zusätzlich ein Drucksensor unter dem Zeigfinger den veränderlichen Anpressdruck. Erst durch die Integration dieses neuen Sensors ist es nun möglich, nicht nur die Veränderungen, sondern auch den absoluten Blutdruck selbst zu messen.
Perspektiven und zukünftige Einsatzmöglichkeiten
Mit dem Abschluss der dritten Studie steht der Prototyp kurz vor der Marktreife. Das Gerät könnte eine praktische Alternative zur herkömmlichen Blutdruckmessung darstellen und die tägliche Gesundheitsüberwachung für Menschen mit Bluthochdruck erheblich erleichtern. Darüber hinaus eröffnet die Technologie neue Möglichkeiten in der Telemedizin und im Bereich des personalisierten Gesundheitsmanagements.
Die Zusammenarbeit zwischen dem AIT und der FHWN verdeutlicht, wie interdisziplinäre Forschungsprojekte innovative Lösungen für aktuelle gesundheitliche Herausforderungen entwickeln können. Durch die Kombination von technologischem Know-how und praxisorientierter Validierung kann ein Produkt entstehen, das sowohl den medizinischen Anforderungen entspricht als auch benutzerfreundlich ist.
Link zur Presseaussendung der FHNW: https://presse.fhwn.ac.at/news-blutdruckmessen-to-go-fhwn-und-ait-entwickeln-smarte-messgeraete?id=208282&menueid=11329&l=deutsch
Projekt DigiPit: https://ebooks.iospress.nl/doi/10.3233/SHTI230024
Publikation der Ergebnisse der ersten Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38688296/
Publikation zum Wirkprinzip der zweiten Studie: https://journals.lww.com/bpmonitoring/fulltext/2023/02000/Device_guided_slow_breathing_with_direct.8.aspx