Eine internationale Forschungsgruppe unter Mitwirkung von Angela Sessitsch, AIT Head of Center Health and Bioresources, und Tanja Kostic, AIT Head of Competence Unit Bioresources sowie Managing Director der MicrobiomeSupport Association, hat in der renommierten Fachzeitschrift Frontiers in Science aufgezeigt, wie eng vernetzt Mikroorganismen in landwirtschaftlichen und ernährungsbezogenen Systemen sind. Die Studie beschreibt, wie sogenannte Agri-Food-System-Mikrobiome Nährstoffkreisläufe, Pflanzengesundheit, Tierwohl und letztlich die menschliche Gesundheit beeinflussen – und wie Eingriffe in diese komplexen Systeme Risiken wie Ernteausfälle, Lebensmittelverderb oder Antibiotikaresistenzen vermindern können.
Mikrobiome: das unsichtbare Fundament der Lebensmittelproduktion
Mikrobiome sind Gemeinschaften von Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen, die in Böden, Gewässern, Nutztieren, Pflanzen, Lebensmittelfabriken und sogar im menschlichen Verdauungstrakt vorkommen. Sie bilden ein fein austariertes Netzwerk, das maßgeblich über die Qualität und Resilienz unserer Lebensmittelsysteme entscheidet. „Gesunde mikrobielle Netzwerke treiben Nährstoffkreisläufe an, fördern die Resilienz gegen Krankheiten, sichern die Lebensmittelqualität und stärken die Umwelt- wie auch menschliche Gesundheit“, sagt Tanja Kostic.
Doch dieses Gleichgewicht ist zunehmend gefährdet. Intensive Landwirtschaft, der übermäßige Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Antibiotika, Umweltverschmutzung und der Klimawandel stören diese sensiblen Systeme. Die Folge: Rückgang der Artenvielfalt in Böden und Gewässern, Anstieg antimikrobieller Resistenzen und ein Verlust und Veränderung von Mikroorganismen in unserer Nahrung.
Neue Analyseansätze durch -omics-Technologien
Fortschritte in der Genom- und Metagenomforschung – sogenannte -omics-Technologien – ermöglichen es mittlerweile, nicht nur einzelne Mikroorganismen, sondern ganze Mikrobiome und deren Funktionen zu erfassen. Durch Meta-Omics wird sichtbar, wie Mikroorganismenarten interagieren, Nährstoffe umsetzen oder auf Umweltstress reagieren. Diese umfassende Perspektive zeigt beispielsweise, dass Mikroorganismen aus Böden in Nutzpflanzen, von dort in Tiere und schließlich in die menschliche Nahrungskette gelangen. Gleichzeitig wird deutlich, wie Antibiotikaresistenz-Gene über tierische Abfälle in Böden und weiter in andere Ökosysteme eingeschleust werden können.
Ansätze für widerstandsfähige Mikrobiome
Die Studie identifiziert konkrete Maßnahmen, um Mikrobiome zu stabilisieren oder wiederherzustellen:
- Einsatz mikrobieller Präparate zur Verbesserung der Pflanzengesundheit und Ertragsstabilität
- Integration stickstoffbindender Pflanzen wie Hülsenfrüchte oder Klee in Fruchtfolgen
- Nutzung probiotischer Futterzusätze zur Tiergesundheit
- Anwendung von Mikroorganismen zur Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln und Reduktion von Lebensmittelverlusten
Viele dieser Ansätze sind bereits praxiserprobt, etwa der Einsatz bestimmter Hefen gegen Nachernteverluste bei Erdbeeren oder von Bakterien zur Bindung von Luft-Stickstoff bei Hülsenfrüchten.
Gemeinsames Handeln erforderlich
Die Autor:innen betonen, dass die Sicherung funktionierender Mikrobiome eine gemeinsame Aufgabe von Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Politik, Forschung und Verbraucher:innen ist. „So wie Mikroorganismen nur im Zusammenspiel funktionieren, müssen auch alle Beteiligten entlang der Lebensmittelkette zusammenarbeiten – vom Produzierenden bis zum Konsumierenden“, erklärt Angela Sessitsch. Nur durch die Verbindung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit gezielten agrar- und ernährungspolitischen Maßnahmen, innovativen Produktionsmethoden und bewusster Konsumentscheidung lässt sich die Basis für nachhaltige, gesunde und widerstandsfähige Lebensmittelsysteme sichern.