Vom 25. bis 28. November 2025 brachte die Food System Microbiomes Conference in Wageningen mehr als 180 Teilnehmende aus fünf Kontinenten zusammen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Mikrobiome in Böden, Pflanzen, Tieren, Lebensmitteln und im Menschen gezielt genutzt werden können, um Ernährungssysteme nachhaltiger, widerstandsfähiger und gesünder zu gestalten.
Die Konferenzreihe geht unmittelbar auf das von Angela Sessitsch am AIT koordinierte EU-Projekt MicrobiomeSupport zurück. Aus diesem Projekt ist die MicrobiomeSupport Association hervorgegangen, die gemeinsam mit dem AIT Austrian Institute of Technology, dem Wageningen Microbiome Center und der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) die Konferenz organisiert. Die AIT Unit Bioresources war mit wissenschaftlichen Beiträgen und über zentrale Funktionen in Projekt, Association und Organisation wesentlich eingebunden.
Von MicrobiomeSupport zur internationalen Konferenz
MicrobiomeSupport wurde als EU-H2020-Projekt mit dem Ziel aufgesetzt, die fragmentierte Mikrobiomforschung im Bereich Ernährungssysteme besser zu vernetzen und eine gemeinsame strategische Agenda zu entwickeln. Unter der Koordination von Angela Sessitsch entstanden dabei ein internationales Netzwerk aus Industrie, Forschenden und Entscheidungsträger:innen, eine abgestimmte Forschungs- und Innovationsagenda sowie Formate, um Wissenschaft, Politik, Industrie und Zivilgesellschaft an einen Tisch zu bringen. Um diese Strukturen über das Projektende hinaus zu sichern, wurde die MicrobiomeSupport Association gegründet. Sie führt die Netzwerkarbeit fort, verankert das Thema in europäischen und internationalen Initiativen und richtet die Food System Microbiomes Conference als zentrale Plattform der Community aus. Eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung der Association und der Konferenz spielt Tanja Kostic. Sie war von Beginn an in MicrobiomeSupport involviert, ist heute neben Ihrer Tätigkeit am AIT auch Geschäftsführerin der MicrobiomeSupport Association. Damit bündelt sie wissenschaftliche Expertise mit der strategischen Weiterentwicklung des Netzwerks.
FSM2025 in Wageningen: Mikrobiome als verbindendes Element im Ernährungssystem
Die Food System Microbiomes Konferenz ist ein Forum, das Mikrobiomforschung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenführt. Forschende aus Boden- und Pflanzenwissenschaften, Tiergesundheit, Lebensmitteltechnologie, Umwelt- und Humanmikrobiomforschung diskutierten übergreifende Fragestellungen: Welche Rolle spielen Mikrobiome für Ertragssicherheit und Klimaanpassung? Wie lassen sich mikrobielle Netzwerke in Böden und Pflanzen so nutzen, dass Dünger und Pflanzenschutzmittel reduziert werden können? Wie beeinflussen Mikrobiome Verarbeitung, Haltbarkeit und Qualität von Lebensmitteln? Und wie greifen diese Prozesse auf die menschliche Gesundheit über?
Das Programm kombinierte zwei Keynotes an den Schnittstellen zwischen humaner Gesundheit, Umwelt und Ernährungssystemen mit einem dichten wissenschaftlichen Rahmen: Nicola Segata (University of Trento, IT) sprach über „Human and food microbiomes within a OneHealth perspective“, Michael Wagner (Universität Wien, AT) über „The many faces of nitrification: From fundamental understanding to paths toward sustainable nitrogen management“. Wagner koordiniert zudem den FWF-Cluster of Excellence „Microbiomes Drive Planetary Health“, an dem das AIT Center for Health & Bioresources beteiligt ist und der die österreichische Mikrobiomforschung im Sinne von OneHealth und Planetary Health bündelt. Ergänzt wurden die Keynotes durch eingeladene Vorträge, Kurzpräsentationen, Poster-Sessions und ein eigenes Format für Early Stage Researchers. Ein regulatorischer Workshop beleuchtete, wie Mikrobiom-basierte Produkte und Anwendungen sicher und effizient in die Praxis überführt werden können, eine interaktive Ausstellung europäischer Projekte sowie ein künstlerischer Beitrag, der Umwelt- und Mikrobiomthemen in visuelle Geschichten übersetzte, eröffneten zusätzliche Perspektiven. Im Zentrum stand dabei immer wieder dieselbe Grundfrage: Wie lässt sich das wachsende Wissen über Mikrobiome so strukturieren und integrieren, dass es tatsächlich in Strategie, Regulierung und Praxis von Ernährungssystemen ankommt?
AIT-Beiträge: Soja-Wertschöpfungsketten und pflanzenbasierte Lebensmittel
Das AIT war mit den Centern Health & Bioresources und Innovation Systems & Policy in Wageningen wissenschaftlich und organisatorisch präsent. Ein Schwerpunkt lag auf dem EU-Projekt MICROBIOMES4SOY, in dem untersucht wird, wie Mikrobiome in der Soja-Wertschöpfungskette gezielt beeinflusst werden können, von Anbausystemen über Boden- und Wurzelmikrobiome bis hin zur Verarbeitung. Ziel ist es, Ansätze zu entwickeln, die Erträge stabilisieren, Ressourcen effizienter nutzen und die Umweltbelastung verringern. Im Posterprogramm wurden unter anderem Übergangspfade für den Einsatz Mikrobiom-basierter Anwendungen in der Soja-Wertschöpfungskette vorgestellt – also konkrete Schritte, wie vielversprechende Forschungsergebnisse in agrarische Praxis und industrielle Nutzung gelangen können.
Ein weiterer Fokust lag auf der von Early-Stage-Forschenden organisierten ESR-Session, in der ausschließlich Beiträge von Nachwuchswissenschaftler:innen präsentiert wurden. Hier wurde unter anderem Sara Pipponzi (AIT) ausgewählt, ihre Arbeit zur Biofortifikation von Pflanzen mit Vitamin-B12-produzierenden Mikroorganismen vorzustellen. Im Zentrum der Session stand die Frage, wie mikrobiombasierte Lösungen konkret zu den Sustainable Development Goals (SDGs) beitragen können – etwa in Bezug auf Ernährungssicherheit, nachhaltige Produktion und intakte Ökosysteme. „Mikrobiome verbinden Böden, Pflanzen, Lebensmittel und unseren Körper in einem einzigen System. Wenn wir diese Zusammenhänge verstehen und gezielt nutzen, können wir gleichzeitig Erträge stabilisieren, Umweltbelastungen reduzieren und gesündere Lebensmittel produzieren. Konferenzen wie FSM2025 zeigen, wie stark dieses Feld inzwischen vernetzt ist – und wie viel Potenzial noch offenliegt.“ erklärt Tanja Kostic, interimistische Leiterin der AIT Competence Unit Bioresources und Geschäftsführerin der MicrobiomeSupport Association. Mikrobiome sind kein Randthema, sondern das verbindende Element zwischen Agrarpolitik, Lebensmittelwirtschaft, Umwelt- und Gesundheitssystem – und damit zentral für den OneHealth-Ansatz
Von Wageningen nach Paris
FSM2025 hat deutlich gemacht, dass sich die Mikrobiomforschung von isolierten Einzelanwendungen hin zu systemischen Ansätzen entwickelt. Die Debatten in Wageningen kreisten immer wieder um Integration: Daten und Anwendungen aus Boden, Pflanzen, Tieren, Lebensmitteln und Humanmedizin sollen stärker gemeinsam betrachtet und entlang des gesamten Ernährungssystems bewertet werden.
Für AIT und MicrobiomeSupport Association ergeben sich daraus klare Aufgaben: die Weiterentwicklung integrierter Mikrobiomstrategien, der Brückenschlag in Regulierung und Praxis sowie ein vertiefter Dialog mit Politik und Öffentlichkeit über Chancen, Grenzen und Verantwortungsfragen Mikrobiom-basierter Innovationen.
Die Konferenzreihe wird 2027 in Paris fortgesetzt. Bis dahin sollen zahlreiche der in Wageningen diskutierten Ansätze in Projekten, Pilotanwendungen und Kooperationen weitergeführt werden. Das AIT Center for Health & Bioresources und die MicrobiomeSupport Association werden diesen Prozess weiterhin mitgestalten – als wissenschaftliche Motoren und als Plattform für eine Community, die Ernährungssysteme zunehmend auch aus der Perspektive ihrer Mikrobiome denkt.
Mehr: https://foodsystemsmicrobiomes.org/ | https://www.microbiomesupport.eu/