Sehen, hören, fühlen, riechen ist für viele Menschen selbstverständlich. Es gibt allerdings eine Menge Menschen, die in ihren Sinnen beeinträchtigt sind. Aktuell sind das in Österreich rund 1,7 Mio. Menschen. Aber es gibt immer mehr Möglichkeiten, diesen Menschen mithilfe neuer Technologien zu helfen. Assistenzsysteme, Maschinen, Geräte oder Computer unterstützen den Menschen in seiner Sinneswahrnehmung immer mehr. Die Frage ist: Inwieweit sind diese „künstlichen“ Hilfsmittel tatsächlich ein Sinn-Ersatz und welche Rolle spielen Technologien heute und in Zukunft?
„Prinzipiell wollen wir ja Synergien zwischen Mensch und Maschine herstellen – das heißt, wir müssen die Sinne verstehen“, sagte eingangs Manfred Tscheligi. „In der Human-Computer-Interaction Forschung geht es darum, den Menschen in all seinen Aspekten zu verstehen – nur dann kann man adäquate Technologien entwickeln, die verwendbar und nutzenstiftend sind und noch dazu Freude machen.“ Dazu nannte er zwei Aspekte: Einerseits das Konzept „Augmented Human“. Das bedeutet, „der Mensch ist durch Technologie augmentiert, und die Technologie wird damit auch ein Teil des Menschen selbst.“ Als zweiten Aspekt nannte Tscheligi „Multisensory Experiences“: Durch multisensorische Erfahrungen (Sehen, Fühlen, Hören, Riechen) werden z.B. auch in Extended Reality (XR) alle Sinne des Menschen adressiert. XR eröffnet den Menschen damit nicht nur eine neue Seh-Erfahrung, sondern ein immersives Eintauchen in simulierte Welten – dazu gibt es einige Forschungsprojekte am AIT und auch viel Interesse aus der Wirtschaft, etwa zum Thema Training und Arbeitssicherheit.
Mit einer „künstlichen“ Hand greifen und fühlen
Chirurg Oskar Aszmann, ehemaliger Laborleiter des CD-Labors für Wiederherstellung von Extremfunktionen und stv. Leiter der Uni-Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie am AKH Wien, meinte: „Wir haben extreme Fortschritte gemacht, die Techniken und Anwendungsgebiete haben sich enorm erweitert.“ Aszmann schilderte detailliert, wie es heute möglich ist, Menschen mit einer bionischen Hand- oder Armprothese zu versorgen und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, Dinge wieder angreifen und spüren zu können. Basis dafür ist umfassendes Wissen in der Nervenchirurgie: „Das Gehirn muss erst lernen, dass die Prothese bzw. neue Hand etwas tun muss“, erlärte Aszmann.
Neues Hör-Erlebnis mit MED-EL
Ebenso faszinierend war die Darstellung von Wolfgang Fischler, Leiter Strategische Kooperationen beim Innsbrucker Unternehmen MED-EL, der erklärte, wie Cochlea Innenohr-Implantate gehörlosen Menschen helfen, wieder hören zu können. „Das Gute daran ist: Der Mensch ist unglaublich lernfähig. Wenn ein Signal angeboten wird, ist der Mensch fähig, die Information aus dem Signal herauszufiltern“, sagte Fischler und ging dann auf die Fortschritte in der Forschung bei MED-EL ein: „Das Signal, das wir entwickeln, ist mittlerweile so gut, dass es dem natürlichen Signal und Hören sehr nahekommt.“
NOSI hat die „digitale Nase“ entwickelt
Johannes Bintinger, viele Jahre am AIT beschäftigt und nunmehr Co-Founder von NOSI und Ass. Prof. für Theranostische Chemie an der TU Wien, berichtete über die „digitale Nase“ bzw. die Idee, dass das Handy riechen lernen soll: NOSI steht für Network for Olfactory System Intelligence. Um diese Idee zu entwickeln, muss man wissen, wie das menschliche Riechen funktioniert. Auf diesem Wissen aufbauend entwickelten die Forscher Sensoren und „mithilfe von Künstlicher Intelligenz muss die digitale Nase trainiert werden“, wie Bintinger erklärte. Einsatzmöglichkeiten für NOSI gibt es viele, etwa um zu erkennen, ob Lebensmittel verdorben sind, bei der Lebensmittelproduktion, in der Hotellerie, aber auch im Gesundheitsbereich und in der Pflege.
Fazit: Es ist heute schon vieles möglich: Wir sind im 21. Jahrhundert tatsächlich in einer neuen Ära der Wahrnehmung gelandet. Technologien können vielen Menschen zu einer neuen Sinneswahrnehmung verhelfen. „Aber der Goldstandard ist die Natur“, brachte es Wolfgang Fischler auf den Punkt.
Christian Doppler Forschungsgesellschaft CDG-Zukunftstalk
Zum Nachsehen hier: https://www.youtube.com/watch?v=Lt-flwwo2rw