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Quantentechnologie basiert auf Nobelpreis-würdigem Wissen

06.10.2022

Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger legte in seiner Grundlagenforschung, die nun mit dem höchsten Wissenschaftspreis der Welt ausgezeichnet wurde, die Basis für die Entwicklung von Technologien zur Quantenkommunikation am AIT Austrian Institute of Technology. Das Ziel ist es, diese äußerst sichere Technik alltagstauglich zu machen und ein Quantenkommunikationsnetzwerk in ganz Europa zu errichten.

Jede Übertragung von Daten bietet ein Einfallstor für Cyber-Kriminelle: Lausch- und Hackerangriffe sind mittlerweile an der Tagesordnung und richten gigantische Schäden an. Eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Sicherheit zu gewährleisten, ist die Verschlüsselung von Daten. Das heute dominierende Verschlüsselungsverfahren, die sogenannte „symmetrische“ Verschlüsselung, ist zwar de facto unentschlüsselbar (zumindest sofern die Schlüssel ausreichend komplex sind). Allerdings hat die Sache einen Haken: Um dieses Verfahren bei der Übermittlung von Daten nutzen zu können, muss der Schlüssel selbst auf einem absolut sicheren Weg übertragen werden. Herkömmlicherweise geschah das durch persönliche Übergabe oder auch per Brief. Das ist für eine weltweite Kommunikation aber kaum durchführbar.

Sicherheit durch Naturgesetze

Zu Hilfe kommt dabei die Quantenphysik: Dort gibt es das Phänomen der sogenannten „Verschränkung von Teilchen“: Zwei miteinander verschränkte Teilchen haben die exakt gleichen Eigenschaften, auch wenn sie sehr weit voneinander entfernt sind. Wenn man die Eigenschaften eines der beiden Teilchen verändert, wirkt sich das unmittelbar auf das andere Teilchen aus. Das bedeutet einerseits, dass man auf diese Weise vertrauliche Informationen austauschen kann, und andererseits, dass man sofort mitbekommt, wenn jemand bei dieser Kommunikation mithört (denn auch das Auslesen von Informationen verändert den Zustand der Teilchen).

Albert Einstein hat dieses Phänomen einst als „spukhafte Fernwirkung“ abgetan. Doch dass dieses Prinzip in der Tat nutzbar ist, konnte der Wiener Quantenphysiker Anton Zeilinger (Uni Wien, ÖAW) 1997 in Form der sogenannten „Teleportation“ – dem Transport des Zustands eines Lichtteilchens – zeigen. 1999 gelang der Nachweis, dass das Phänomen auch für die Übermittlung vertraulicher Informationen funktioniert. Für diese Arbeiten zur quantenphysikalischen Verschränkung wurde Zeilinger nun mit dem Physiknobelpreis des Jahres 2022 – gemeinsam mit seinen Fachkollegen John Clauser und Alain Aspect – ausgezeichnet.

Ein echter Beweis für die praktische Anwendbarkeit wurde 2004 erbracht – und zwar durch die Übertragung eines symmetrischen Schlüssels mittels verschränkter Photonen (Lichtteilchen) über eine 600 Meter lange Glasfaserleitung zwischen einer Wiener Bank und dem Rathaus. Seither gelang dies auch in hunderte Kilometer langen Glasfasernetzen, zwischen zwei kanarischen Inseln und zuletzt auch über einen Satelliten zwischen Peking und Wien. In der Fachsprache nennt man dies Quantenschlüsselverteilung (Quantum Key Distribution, QKD).

Technische Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse

Forschende des AIT waren von Anfang an diesen Versuchen beteiligt: Sie entwickeln die technischen Ausrüstungen für die Quantenkryptographie und organisieren große Forschungsnetzwerke, wie etwa das EU-Projekt SEQOQC, in dem 41 Partner aus zwölf Ländern beteiligt waren. Mittlerweile hat sich das AIT über das vergangene Jahrzehnt einen internationalen Ruf als Spezialist sowohl für terrestrische als auch für satellitenbasierte Quantenkryptographie und als Koordinator großer europäischer Projekte erworben

Aktuell gilt die Arbeit insbesondere der Miniaturisierung der für die Quantenkommunikation nötigen Geräte. „Wir bauen Prototypen, welche die gleiche Funktionalität wie große Laboraufbauten haben, aber auf einem optischen Chip integriert sind“, erläutert AIT-Forscher Hannes Hübel. Das Ziel sind kleine und kompakte Endgeräte, die von jedem Nutzer, der über einen Glasfaseranschluss verfügt, problemlos verwendet werden können – so ähnlich, wie man heute ein Modem für den Internetzugang beim Computer stehen hat.

Quantum Flagship: Auf dem Weg zur einer Quanten-Industrie

Damit die Technologie tatsächlich in der Praxis Fuß fassen kann, spielen drei Faktoren eine Schlüsselrolle: die Robustheit, die Größe und der Preis der Geräte. „Wir versuchen, die technologische Komplexität möglichst zu reduzieren, Standardkomponenten zu benutzen und das Ganze robust, also langzeitstabil, zu gestalten“, so Hübel. Dazu muss auch jede Menge Elektronik und Steuersoftware entwickelt werden. Diese Arbeiten finden u. a. im Rahmen des großen europäischen Quantum Flagship-Programm statt, das 2018 mit einem Zeitrahmen von zehn Jahren und einem Fördervolumen von einer Milliarde Euro gestartet wurde.

Von vier Flagship-Projekten im Bereich der Quantenkommunikation leitet das AIT ein Projekt und ist Partner in einem weiteren. Den Lead haben die Wiener Forschenden beim Projekt „UNIQORN“ (Affordable Quantum Communication for Everyone: Revolutionizing the Quantum Ecosystem from Fabrication to Application). Gemeinsam mit 17 Partnern aus Europa wird mithilfe photonischer Technologien die Miniaturisierung von Quantenapplikationen in Richtung System-on-Chip-Lösungen vorangetrieben. Im Rahmen des Projekts „CiViQ“ (Continuous Variable Quantum Communications) steht die kosteneffiziente Integration der Quantenkommunikation in die aufkommenden optischen Telekommunikationsnetze im Mittelpunkt. 21 Partner, darunter führende Telecoms, Integratoren und Entwickler von QKD, arbeiten an flexiblen und kostengünstigen Systemen zur Quantenschlüsselverteilung. Das AIT entwickelt in diesem Projekt QKD-Prototypen und spezialisierte Software für den Feldeinsatz.

Photonische Schaltungen

Hochintegrierte photonische Schaltungen für die Quantenkommunikation. Image Credit: www.einstellungssache.at

Testbeds und sichere Netzwerke

Eine andere Stoßrichtung, um die Quantenkommunikation alltagstauglich zu machen, ist der Aufbau von Netzen und Testbeds in Europa. Schon im September 2019 startete die EU das für drei Jahre anberaumte und mit 15 Millionen Euro geförderte Horizon 2020-Projekt „OPENQKD“ (Open European Quantum Key Distribution Testbed). Das vom AIT geführte Konsortium umfasst 38 Partner aus 13 Ländern und vereint Hersteller, Netzwerkbetreiber, Systemintegratoren, KMUs, Forschungseinrichtungen, Universitäten, Zertifizierungs- und Standardisierungsstellen sowie Endanwender. Mit dem Ziel, ein sicheres Netzwerk für Quantenkommunikation in Europa aufzubauen und damit ein europäisches Ökosystem für Quantentechnologie-Anbieter und Applikationsentwickler auf den Weg bringen, wird die Entwicklung verschiedener Demonstratoren (zum Teil auch in Österreich) und künftiger Anwendungen vorangetrieben. Das umfasst z.B. die Speicherung in Cloud-Infrastrukturen, den Schutz sensibler medizinischer Informationen (Testbed in Graz) oder Daten der Behördenkommunikation (Testbed in Wien).

Empfangsgerät von verschlüsselten Daten

Empfangsgerät für Daten, die mit Quantentechnologie verschlüsselt werden. Image Credit: www.einstellungssache.at

Ein Europäischer Cyber-Schutzschild

„OPENQKD“ ist gleichzeitig das erste Pilotprojekt im Rahmen der „EuroQCI“-Initiative (European Quantum Communication Infrastructure Initiative), in der in den nächsten 10 Jahren ein europäischer Cyber-Schutzschild auf Basis einer Quantenkommunikations-Infrastruktur errichtet werden soll. Die entsprechende „EuroQCI-Declaration“ wurde bereits von 24 Mitgliedsländern der EU unterzeichnet. Seit Februar 2020 läuft die Studie „QCI4EU“ mit dem AIT als Projektpartner, in der die Benutzeranforderungen und Anwendungsfälle, die die Entwicklung der EuroQCI vorantreiben werden, spezifiziert werden sollen. Darauf aufbauend wird eine übergreifende Systemarchitektur für EuroQCI ausgearbeitet. Diese setzt sich aus terrestrischen und weltraumgestützten Lösungen zusammen, die „secure by design“ sind und die gesamte Europäische Union abdecken.

Quantenverschlüsselung über Satelliten

Quantentechnologien sind mittlerweile längst auch im Weltraum angekommen. Seit 2018 läuft das Projekt „QUARTZ“ (Quantum Cryptography Telecommunication System), das von der Europäischen Weltraumorganisation ESA unterstützt wird und an dem neben dem AIT und dem Projektkoordinator SES (dem weltweit führenden Satellitenbetreiber) 8 weitere renommierte Forschungseinrichtungen, Universitäten und Firmen beteiligt sind. Entwickelt wird ein satellitengestütztes Cybersecurity-Systems auf Basis von Quantenverschlüsselung. Durch die unbegrenzte Abdeckung durch Satelliten können die heute bestehenden Beschränkungen glasfaserbasierter QKD-Systeme – mit Übertragungsreichweiten von wenigen hundert Kilometern – überwunden und ein global verfügbares Cybersecurity-System auch für Netze in entlegenen Regionen verfügbar gemacht werden.

Bestmöglicher Schutz von Daten

Der Schutz von Daten und die Wahrung der Privatsphäre sind essentiell für eine moderne Gesellschaft. Sie bilden die grundlegende Vertrauensbasis für eine kulturelle, soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Die damit einhergehende Schaffung von „Sicherheit“ ist damit eine maßgebliche Kernaufgabe am AIT Austrian Institute of Technology. Vor dem Hintergrund vielfältiger, sich in stetem Wandel befindlicher Bedrohungslagen für unsere Gesellschaft gilt es, innovative Ansätze für die Begegnung dieser Bedrohungen zu entwickeln. So liegt ein besonderer Fokus der Forschungsaktivitäten am AIT auf Methoden, Architekturen, und Technologien, um durch Privacy by Design-Ansätze einen höchstmöglichen Schutz von Daten in jedweder technischen Lösung grundlegend zu berücksichtigen und einzubauen. Datenschutz und Privatsphäre stellen ein sensibles und schützenswertes Gut dar, das in sämtlichen am AIT geführten Forschungsaktivitäten als oberste Prämisse berücksichtigt wird.

Kontakt

Mag. (FH) Michael W. Mürling

Marketing and Communications

AIT Austrian Institute of Technology 

Center for Digital Safety & Security

T +43 (0)50550-4126

michael.muerling(at)ait.ac.at I www.ait.ac.at 

 

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