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Solarstrom statt Erdgas

07.01.2025

Forscher:innen des AIT haben in dem Forschungsprojekt „GreenBricks“ gemeinsam mit dem Baustoffkonzern Wienerberger Technologien für eine Ziegelfabrik entwickelt, die kein Erdgas mehr benötigt, ein Drittel weniger Energie verbraucht und bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen einspart. Ende November wurde das neue Werk eröffnet.

Es kommt nicht so oft vor, dass in Österreich eine neue Produktionsanlage errichtet wird. Am 28. November 2024 fand ein solch seltenes Ereignis im oberösterreichischen Ort Uttendorf statt. Der Baustoffkonzern Wienerberger eröffnete eine hochmoderne Anlage der Sonderklasse, nämlich die „grünste“ Ziegelproduktion Europas. Der Wienerberger-Standort Uttendorf wurde dabei vollständig neu geplant, modernisiert und konsequent auf Dekarbonisierung ausgerichtet. Die wesentlichen Grundlagen dafür wurden in einer Kooperation zwischen Expert:innen des AIT Austrian Institute of Technology und Kolleg:innen bei Wienerberger im Projekt „GreenBricks“ gelegt.

Mithilfe neuer Technologien und von flächendeckenden Fotovoltaik-Paneelen am Dach konnten der Energiebedarf um 30 Prozent und die CO2-Emissionen der Ziegelproduktion um bis zu 90 Prozent gesenkt werden. Das entspricht einer Reduktion von bis zu 7.340 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr – vergleichbar mit einer jährliche Fahrtstrecke von 600 Erdumrundungen mit dem Auto.

„Die erfolgreiche Realisierung von ,GreenBricks‘ zeigt, wie entscheidend die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung sowie der Einsatz neuer Technologien für die Zukunft der Produktion sind“, betont Andreas Kugi, Scientific Director des AIT. „Durch innovative digitale Planungs- und Simulationswerkzeuge konnten wir die Ziegelproduktion am Standort Uttendorf nicht nur nachhaltiger, sondern auch effizienter gestalten. Solche Projekte verdeutlichen, dass Digitalisierung und virtuelle Planung ein Schlüssel für die Dekarbonisierung und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sind.“

© Wienerberger/Manfred Fesl

„Durch innovative digitale Planungs- und Simulationswerkzeuge konnten wir die Ziegelproduktion am Standort Uttendorf nicht nur nachhaltiger, sondern auch effizienter gestalten“, betont Andreas Kugi, Scientific Director des AIT.

Langjährige Zusammenarbeit zwischen AIT und Wienerberger

Das „GreenBricks“-Projekt ist die Fortsetzung einer jahrelangen erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen AIT und Wienerberger. Bereits seit dem Jahr 2016 wurde im EU-Projekt „DryFiciency“ eine industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpe für Trocknungsprozesse entwickelt und installiert. Das darauffolgende „GreenBricks“-Projekt, das im Rahmen der Innovationsnetzwerkes „New Energy für Industry“ (NEFI) vom Klima- und Energiefonds gefördert wird, war wesentlich größer angelegt und zielte auf die komplette Neukonzeption der Ziegelproduktion ab.

Weltweit größter Elektroofen für Ziegelproduktion

Eine zentrale Innovation der neuen Anlage ist der mit 90 Metern Länge weltgrößte industrielle Elektroofen für die Ziegelproduktion. Diese Technologie verändert den industriellen Energiebedarf nachhaltig – herkömmlicherweise waren die für das Brennen erforderlichen Temperaturen von 900 °C und mehr nur mithilfe von Gasöfen erreichbar.

Installiert wurden weiters industrielle Wärmepumpen, die die Energieeffizienz des Trocknungsprozesses steigern, indem sie industrielle Abwärme des Tunneltrockners in nutzbare Energie umwandeln und in den Prozess zurückführen. Wärmepumpen sind für viele Trocknungsprozesse eine echte Alternative zu herkömmlichen Gasbrennern und können in vielen Industriesektoren – Papier, Lebensmittel, Textil, diversen chemischen Industriezweigen usw. – eingesetzt und in bestehende Anlagen integriert werden. Auch für die Heißdampf-Erzeugung in der pharmazeutischen Industrie haben AIT-Forscher:innen bereits Hochtemperatur-Wärmepumpen erfolgreich realisiert.

Überdies wurde im „GreenBricks“-Projekt eine an den neuen Prozess angepasste CO2-neutrale Ton-Ziegel-Rezeptur entwickelt.

© Wienerberger/Manfred Fesl

Gerhard Hanke (CFO Wienerberger), Andreas Kugi (AIT Scientific Director) und Johann Marchner (Country Managing Director Wienerberger Österreich; v.l.n.r.) bei der Eröffnung des neues Ziegelwerk von Wienerberger in Uttendorf (OÖ) im November 2024.

Planung mit digitalen Werkzeugen

Das neue Werk wurde konsequent mit digitalen Werkzeugen geplant – insbesondere mit einem „digitalen Zwilling“, in dem der Ziegelherstellungsprozesses digitalisiert und die gesamte Produktionskette abgebildet ist – von der Gewinnung und Lagerung der Rohstoffe über deren Mahlen und Mischen und das Formen der Ziegel bis hin zum Trocknen, Brennen und Verpacken. Durch das holistische mathematische Modell konnten alle Prozesse im Sinne des Klimaschutzes digital optimiert werden.

Diese Tools werden darüber hinaus auch in der laufenden Produktion eingesetzt. So können mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz veränderte Rahmenbedingungen im Herstellungsprozess und deren Auswirkungen auf den Betrieb im Zusammenspiel zwischen Trockner, Wärmepumpen und Elektroofen entsprechend vorhergesagt und berücksichtigt werden.

Strom statt Erdgas

„Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme des Elektroofens haben wir einen echten Meilenstein für eine nachhaltige Ziegelproduktion erreicht“, betonte Johann Marchner, Country Managing Director von Wienerberger Österreich, bei der Eröffnung der neuen Anlage. Das gesamte Projektvolumen lag bei rund 30 Mio. Euro, davon vier Mio. Euro für Forschung und Entwicklung.

Die Elektrifizierung von bisher gasbefeuerten Industrieöfen bedeutet einen signifikanten Technologiesprung und ist mit vielen technischen Herausforderungen und Anpassungen auf Prozessebene verbunden. „Durch den Einsatz neuartiger digitaler Tools, innovativer, virtueller Planungsmethoden und detaillierter Analysen von Hochtemperatur-Wärmeprozessen bis 950 °C wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, die konventionelle Brenntechnologie mit einem grünen Elektroofen bei gleichbleibender Kapazität und Qualität zu ersetzen,“ fasst Tilman Barz, Senior Scientist am AIT Center for Energy und wissenschaftlicher Koordinator des „GreenBricks“-Projekts zusammen.