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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

mobalance

Eine klimaverträgliche Alternative für die Mobilität von morgen

Wie kann die oft beschworene Mobilitätswende gelingen? Was braucht es, um das Mobilitätssystem klimaverträglich zu gestalten und gleichzeitig dennoch die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen? Im Rahmen des geförderten Sondierungsprojekts „mobalance“ widmen sich die ExpertInnen des AIT diesen Fragen und erarbeiten mit den Projektpartnern eine suffiziente Mobilitätsvision, die auf dem Konzept eines so genannten Mobilitätskontos beruht.

 

Von „schneller-höher-weiter“ zu „nachhaltiger-gerechter-maßvoller“

Seit jeher prägt Mobilität den Alltag der Menschen. Sie wurde zum Inbegriff von Freiheit: Dorthin zu fahren, zu fliegen, zu gehen, wohin man gerade möchte oder muss, ist Wunsch und Selbstverständnis. Alles überall und jederzeit verfügbar zu haben, ist ein Anspruch der globalisierten Welt, mit dem wir uns konfrontiert sehen. Über viele Jahrzehnte waren EntscheiderInnen in Wirtschaft und Politik damit beschäftigt, gemäß dem Motto „schneller-höher-weiter“ ihre Visionen, Produkte und Dienstleistungen voranzutreiben.

Heute kündigt sich jedoch ein Paradigmenwechsel an: Die Mobilität von Personen und Gütern befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Ausschlaggebend dafür sind nicht zuletzt klar definierte ökologische Ziele wie das Pariser Klimaabkommen und die daraus folgende Menge an CO2, die bis 2050 noch emittiert werden kann, ohne das Temperaturziel zu gefährden. Es braucht also ganz dringend ein Umdenken im Sinne eines nachhaltigen Mobilitätssystems.

Die Entwicklung einer suffizienten Vision von Mobilität könnte einen wesentlichen Kernpunkt der Mobilitätswende darstellen. Im Verkehrskontext würde die Einführung eines individuellen Mobilitätskontos eine solche Entwicklung wesentlich unterstützen – mit dem Ziel, einen maßvollen und bewussten Umgang mit Mobilität zur Limitierung des Verkehrs auf ein sozial und ökologisch verträgliches Maß herbeizuführen. Dies würde allerdings deutliche Auswirkungen auf die Lebensrealität der Bevölkerung haben und eine Reihe von wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen mit sich bringen.

 

Quelle: Umweltbundesamt, Sachstandsbericht Mobilität; abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/aktuelles/2018/ssb_endpraesentation-2018.pdf

 

Eine bewusste Gestaltung von Mobilität durch Anwendung des Suffizienzprinzips?

Im Sondierungsprojekt „mobalance“ werden basierend auf diesem Ansatz die Merkmale und Einsatzmöglichkeiten eines solchen individuellen Mobilitätskontos herausgearbeitet. So wird erörtert, in welcher Form sich beispielsweise individuelle Lebenssituationen (Bevorzugung oder Benachteiligung unterschiedlicher Gruppen und Raumtypen) und Mobilitätsursachen (berufsbedingter und persönlicher Verkehr) in so ein Konzept integrieren lassen. Zentrale Fragen in diesem Zusammenhang sind:

  • Was wären die Charakteristika eines Mobilitätskontos? (Wie würde das Mobilitätsverhalten erfasst werden? Wie könnten die Daten vor Missbrauch und Manipulation geschützt werden? Wie müssten unterschiedliche Verhaltenseinflüsse, z.B. Präferenzen und Zwänge, beim Ressourcenverbrauch bewertet werden?)
  • Wie und wofür könnte ein solches Konzept umgesetzt werden? (Welche Zielsetzungen könnten mit der Einführung eines Mobilitätskontos unterstützt werden, z.B. sozial, ökologisch, ökonomisch? Welche Akteure braucht es für eine Umsetzung? Wo sind die Schnittstellen zu anderen Systemen, z.B. Energie, Raum?)

 

Das Mobilitätskonto – ein erster Ansatz

Wie könnte ein solches Mobilitätskonto aussehen, auf welchen Eckpfeilern würde es beruhen und was wären mögliche Rahmenbedingungen?

  • Monatlich festgelegte Obergrenze für die individuell emittierbare Menge an CO2 durch eigene Mobilität, basierend auf nationalen jährlichen pro-Kopf-Emissionszielen
  • Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation durch Orientierung der Obergrenze an sozialer und räumlicher Lage (im Rahmen des Gesamtziels)
  • Individualisiertes Feedback über den eigenen „Verbrauch“ sowie die Wirkung möglicher Verhaltensalternativen (z.B. Wahl eines Elektroautos statt eines konventionellen Autos, Wahl einer näheren Destination anstatt einer entfernteren)
  • „Mobilitätspunkte“ (individuelle CO2 Zertifikate) als Basis für den Konsum von treibhausgasintensiven Mobilitätsangeboten
  • Handelsbörse für nicht verbrauchte Mobilitätspunkte (mit Maßnahmen gegen Spekulation)
  • Bewertung der Wirkung von verkehrspolitischen und raumplanerischen Maßnahmen im Hinblick auf Entlastung von individuellen Mobilitätskonten

 

Der Handlungsbedarf ist groß…

Ohne eine technologische Weiterentwicklung und raumplanerische Maßnahmen würden persönliche Mobilitätsbudgets sehr schnell an ihre Grenzen stoßen, wenn die an den Verkehrssektor gekoppelten Klimaziele erreicht werden sollen. Während für das Jahr 2020 pro Kopf und Tag für private Wege noch ca. 6,12 kg Treibhausgas-Emissionen als klimaverträglich gelten, wären 10 Jahre später nur noch 1,95 kg erlaubt. Im Jahr 2050 dürften pro Kopf und Tag schließlich durchschnittlich nur noch etwa 160 g Treibhausgas-Emissionen anfallen, um das Temperaturziel nicht zu gefährden. Für die Emissionsgrenzen müssen dabei sowohl direkte als auch indirekte Emissionen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass man auch zum Beispiel mit einem mit Ökostrom betriebenen Elektroauto im Jahr 2050 nur noch 3 km zurücklegen kann, bis die Grenze erreicht wird. Selbst mit dem (abgesehen von Fußwegen und dem Fahrrad) klimafreundlichsten Verkehrsmittel – der Bahn – hat man nach etwa 11 km die Grenze von 160 g CO2-Ausstoß erreicht.

Diese Zahlen machen den Handlungsbedarf überdeutlich, helfen aber auch dabei, die effektivsten Maßnahmen für die Entlastung individueller Mobilitätsbudgets zu identifizieren. Denn nicht nur Privatpersonen können mit Mobilitätsbudgets ihre Reduktionspotenziale erkennen und selbstständig umsetzen, auch auf der Angebotsseite können Mobilitätsbudgets „Innovationstreiber“ für Technologieentwicklung, Planung und Verkehrsorganisation werden, indem die konkreten Effekte von Maßnahmen auf die Entlastung von Mobilitätsbudgets besser beurteilt werden können.