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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Neue B2B Studie: Anwendungsfälle und Potenziale der Blockchain im Handel

12.04.2018
AIT, CRIF und Handelsverband präsentieren brandneuen Blockchain-Report mit Schwerpunkt u.a. auf Supply Chain Traceability

v.l.n.r.: Dr. Ross KING (Senior Scientist, AIT Austrian Institute of Technology), Massimo GENTILINI (IT Solutions Area Director, CRIF), Ing. Mag. Rainer WILL (Geschäftsführer, Handelsverband Österreich) Bilder: Stefan Zamsich

Dr. Ross King (AIT) erläutert die Ergebnisse der Blockchain-Studie.

Wien, 12. April 2018 – Beschaffungsprozesse verändern sich rasant und die Blockchain ist in aller Munde. Nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Werden im Jahr 2025 wirklich 10 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts mit Hilfe der Blockchain abgewickelt, wie das World Economic Forum unlängst prognostizierte? Wird die Distributed Ledger Technologie globale Handelsbarrieren reduzieren und gleichzeitig mehr Transparenz und Sicherheit garantieren? Werden Smart Contracts die Supply Chain völlig auf den Kopf stellen? Diese und weitere Fragen beantwortet die neue Blockchain-Studie von AIT Austrian Institute of Technology, CRIF und Handelsverband.

Die Blockchain-Technologie könnte das Supply-Chain-Management und den Handel revolutionieren. Eine neue Studie des AIT im Auftrag der Wirtschaftsauskunftei CRIF und des Handelsverbandes zieht aus bestehenden Anwendungsfällen eine erste, vielschichtige Bilanz.

Blockchain sorgt für Transparenz und Rückverfolgbarkeit

In einer Lieferkette haben viele Akteure miteinander zu tun, die einander nicht unbedingt vertrauen. Allerdings sind Vertrauen und Transparenz jene Faktoren, die eine effiziente Zusammenarbeit befördern. Hier kommt die Blockchain ins Spiel. Ein Team des AIT Austrian Institute of Technology unter Leitung von Ross King hat im Auftrag von CRIF und Handelsverbands untersucht, wie die Technologie hinter Bitcoin im Supply-Chain-Management eingesetzt werden kann.

"Derzeit ist die Blockchain in aller Munde. Das ist einerseits wohlverdient, denn der Erfolg von Bitcoin beweist, dass die Technologie grundsätzlich funktioniert. Andererseits begründet sich der Hype aber auch durch den dramatischen Preisanstieg von Bitcoin und manch anderer Kryptowährung im letzten Jahr, der mit der grundsätzlichen Nützlichkeit der Technologie nichts zu tun hat", erklärt Studienautor King.

Der grundsätzliche Mehrwert der Blockchain in der Lieferkette besteht darin, dass ein unveränderbares Verzeichnis aller Aspekte einer Transaktion geschaffen wird – von der Herkunft des Rohstoffs über die Verarbeitung bis zur Verpackungshistorie. Dieses Verzeichnis kann ein neues Fundament für Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Vertrauen schaffen.

Das Problem der Schnittstelle

"Die Crux liegt im Detail. Natürlich kann die Blockchain das Supply-Chain-Management oder auch die Kreditwürdigkeitsbewertung verbessern. Das zentrale Problem ist jedoch die Schnittstelle zwischen der physischen und der digitalen Welt", sagt Massimo Gentilini, Blockchain-Experte der Wirtschaftsauskunftei CRIF. So muss jeder Vorgang von einem Menschen oder einer Maschine außerhalb der Blockchain protokolliert werden, erst dann kann er in der Blockchain unveränderbar und nachvollziehbar festgehalten werden. Wenn man diesen Einheiten (Menschen oder Maschinen) außerhalb der Blockchain ohnehin vertrauen kann, dann bräuchte man in vielen Fällen gar keine Blockchain. "Oft würde eine zentrale Datenbanklösung mit gemeinsamen Lese- und Schreibrechten ausreichen. Wenn man umgekehrt den externen Einheiten nicht vertrauen kann, dann kann leider auch die Blockchain das Vertrauensproblem nicht lösen", so Gentilini.

Automatisierung mit Smart Contracts

Eine Applikation der Blockchain-Technologie besteht in der potentiellen Automatisierung einzelner Prozessschritte des Wirtschaftsgeschehens. Verantwortlich dafür sind im Vorhinein programmierte Smart Contracts: So könnte das Eintreffen eines Produkts an einem bestimmten Ort automatisch weitere Verarbeitungsschritte auslösen. Routineprozesse könnten auf diese Weise selbstständig ablaufen. "Die technologischen Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig, der rechtliche Rahmen für Smart Contracts ist jedoch noch nicht geklärt. Daher ist Vorsicht geboten. Entwicklungsländer könnten profitieren, sofern die neue technische Infrastruktur mittelfristig geringere Anforderungen als die vorherrschenden standardisierten Datenbanksysteme erfordert, um beispielsweise alle Bauern und Zwischenhändler einzubeziehen", bestätigt Ross King.

Die in der Studie untersuchten Anwendungsfälle setzen auf sog. "Permissioned Blockchains". Bei diesen können – im Gegensatz etwa zu Bitcoin – bewusst nur bestimmte Akteure teilnehmen, wodurch der Zugang zu den Daten gezielt eingeschränkt werden kann. Das ist laut Studie auch sinnvoll, da in manchen Fällen zu viel Transparenz Mitbewerbern Wettbewerbsvorteile verschaffen könnte. Andere Entwicklungen setzen auf offene Blockchains als "Infrastruktur", um darauf aufbauend Geschäftsprozesse abzubilden, die anonym durchgeführt werden sollen.

Konsumenten bewerten Blockchain positiv

Um neben der Unternehmensperspektive auch die Sicht der Kunden besser einschätzen zu können, haben Handelsverband und Mindtake Research eine "Consumer Check" Kurzumfrage zum Thema Blockchain durchgeführt. Das überraschende Ergebnis: Trotz aller Medienberichte und Forschungs- und Entwicklungsvorhaben hat nur ein Viertel der befragten Österreicher schon von der Blockchain-Technologie gehört.

"Eines der spannendsten Anwendungsfelder ist die Verwendung der Blockchain zur Sicherstellung der Produktqualität im Lebensmittelhandel und in der Zertifizierung. Dies scheint auch bei Konsumenten sehr gefragt zu sein, denn knapp zwei Drittel der Befragten können sich die Nutzung einer Blockchain-basierten App dafür vorstellen", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Was die Potenzialanalyse betrifft, ist eines ganz klar ersichtlich: Die ÖsterreicherInnen brauchen noch mehr und v.a. leichter verständliche Informationen, um das Potenzial der Blockchain wirklich einschätzen zu können (42%). Bereits mehr als ein Drittel ist jedenfalls überzeugt davon, dass die Blockchain innerhalb der nächsten 10 Jahre die heimische Wirtschaft ähnlich stark verändern wird, wie einst das Internet.

"Jede Entwicklung braucht mutige Pioniere, die auch mal bereit sind, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Obwohl die Blockchain-Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es bereits viele spannende Use Cases und Anwendungen – auch in Österreich. Jetzt ist die Zeit, innovative Pilotprojekte zu starten, um in Zukunft einen Wettbewerbsvorteil zu haben", appelliert Will an die heimischen Handelsunternehmen, sich intensiv mit der Blockchain-Technologie zu beschäftigen.

"Um das volle Potential der Blockchain und möglicher Folgetechnologien, die wie Hashgraph oder IOTA ohne Verkettung von Blöcken funktionieren, ausschöpfen zu können, braucht es für Unternehmen vor allem Steuer- und Rechtssicherheit", meint Will. Der Handelsverband fordert daher sogenannte "regulatory sandboxes", um helle Köpfe junger Startup-Unternehmen auch für die Umsetzung im Lande zu halten. Nur so kann auch die Volkswirtschaft von Erfolgen profitieren und sich auch in diesem Zukunftsbereich als Front Runner positionieren.

Über den Handelsverband / Austrian Retail Association

Der Handelsverband – Sprecher und Partner des Handels – ist seit 1921 als freie Interessenvertretung und Innovationsplattform aktiv, um seine 150 Mitglieder im Umfeld der sich verändernden Marktherausforderungen bestmöglich zu begleiten. Neben den Mitgliedern, die in Österreich mit ca. 250.000 Mitarbeitern an 12.000 Standorten einen Jahresumsatz von rund 40 Mrd. Euro erzielen, sind dem Handelsverband an die 110 Unternehmen diverser Spezialisierungen als Partner assoziiert. Das Portfolio des Verbandes umfasst vier innovative Branchenkongresse, das Diskussionsformat [handels]zone, das Networking-Breakfast Good Morning Retail, das retail Magazin, die Publikation von Studien sowie die Handelsverband Akademie. Fachressort-Sitzungen vermitteln Know-how und bieten den Mitgliedern die Möglichkeit sich strukturiert auszutauschen. Die Online-Plattform RETAIL 24/7 bietet allen österreichischen Handelsunternehmen Know-how, Handelsdaten und Rechtssicherheit. Der Import Information Hub Austria des Handelsverbandes ist das österreichische Forum für heimische Importeure und internationale Exporteure. Mit dem Gütesiegel Trustmark Austria setzt der Handelsverband Standards und fördert das Qualitätsbewusstsein und Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten zum Online-Handel. Weitere Informationen: www.handelsverband.at

Über CRIF

Durch fundierte Kompetenz und gründliche Fachkenntnisse bietet CRIF umfassende und hoch integrierte Lösungen für die Absicherung von Entscheidungen. Bonitätsinformationen, Entscheidungsfindungsmodelle, Management-lösungen, Beratungs- und Outsourcingdienste, Prozess unterstützende Software und weltweite Geschäftsinfor-mationssysteme werden effizient miteinander verbunden. Dieses vollständige Paket er-möglicht es CRIF, hoch entwickelte Lösungen für jede Phase des Kundenbeziehungszyklus bereitzustellen – von der Strategieplanung über Betrugsprävention bis hin zu Antragsprüfung, Portfolio- und Forderungsmanagement – um Ihnen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil zu bieten. CRIF zählt Telekommunikationsunternehmen, Banken, Versicherungen, Leasing-gesellschaften sowie Unternehmen aus Handel und Gewerbe zu seinen Kunden und unterstützt diese dabei, Zahlungsausfälle und Betrug zu vermeiden. Bei Kunden aus dem Versandhandel und E-Commerce ist CRIF in Österreich langjähriger Marktführer.

In Kontinentaleuropa ist CRIF führender Anbieter von Kreditinformationen für Bankinstitute und einer der wichtigsten internationalen Player im Bereich integrierte Dienste und Lösungen für Wirtschaftsinformationen sowie Kredit- und Marketingmanagement. Das Unternehmen ist im angesehenen FinTech 100 vertreten, einem Ranking der führenden globalen Technologielösungsanbieter für die Finanzdienstleistungs-industrie. Heute nutzen täglich 6.300 Banken und Finanzinstitute und 55.000 gewerbliche Kunden in 50 Ländern die Lösungen von CRIF. Weitere Informationen: www.crif.at

Über das AIT Austrian Institute of Technology

Das AIT Austrian Institute of Technology ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Mit seinen acht Centern versteht sich das AIT als hochspezialisierter Forschungs- und Entwicklungspartner für die Industrie. Dabei beschäftigen sich die ForscherInnen mit den zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft: „Energy“, „Health & Bioresources“, „Digital Safety & Security“, „Vision, Automation & Control“, „Mobility Systems“, „Low-Emission Transport“, „Technology Experience“ sowie „Innovation Systems & Policy“. Rund 1.300 MitarbeiterInnen forschen in ganz Österreich an der Entwicklung jener Tools, Technologien und Lösungen für Österreichs Wirtschaft, die sie gemäß des Mottos „Tomorrow Today“ zukunftsfit hält.

Im Center for Digital Safety & Security werden modernste Informations- und Kommunikations­technologien (IKT) und Systeme entwickelt, um kritische Infrastrukturen im Kontext der umfassenden und globalen Vernetzung und Digitalisierung sicher und zuverlässig zu gestalten. Dabei fokussiert das Center auf folgende Schlüssel-technologiebereiche: Cyber-Sicherheit für Industrial Control Systems (ICS), Cyber Physical Systems (CPS), und Internet of Things (IoT), hochsichere und hochverfügbare Software und Systeme sowie höchst zuverlässige Wireless-Kommunikation der nächsten Generation (5G), modernste Verschlüsselungsmethoden (Quantum Safe) für virtuelle IT-Systeme, Data Science für neue Ansätze eines modernen Datenmanagements (Big Data, Blockchain-Technologien), als auch neueste Sensortechnologien und Systeme zum Schutz kritischer Infrastrukturen, Command und Control Systeme für den Einsatz im modernen Krisen- und Katastrophen-management sowie Objektschutz kritischer Infrastrukturen und digitales Identity Management durch modernste Biometrie-Sensorik.

Die ExpertInnen im Bereich Data Science beschäftigen sich seit über vier Jahren intensiv mit der Erforschung der Wirkungsmechanismen der Blockchain-Technologie und der Analyse von Bitcoin-Transaktionsflüssen, aber auch mit den vielen neuen Möglichkeiten der Anwendung dieser verteilten Datenstruktur bei Fintechs, Banken und auch in der Energieversorgung. Weitere Informationen unter www.ait.ac.at/dss