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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Erste Begehung

Blühende Vielfalt im zeitigen Frühling

Autor*innen: Irene Drozdowski und Alexander Mrkvicka
Foto-Autor: Alexander Mrkvicka
Landschaftspflegeverein Thermenlinie-Wienerwald-Wiener Becken


Am 24. April 2023 waren die Biolog*innen des Landschaftspflegevereins Thermenlinie-Wienerwald-Wiener Becken erstmals nach der Winterpause wieder auf den Grünflächen im Forschungszentrum unterwegs, um die Dokumentation der biologischen Vielfalt vor Ort fortzusetzen.

Trotz Regenwetter konnten sie neue Arten entdecken. Gerade im Frühling, wenn die Pflanzendecke noch sehr kurz ist, sind viele winzige Blütenpflanzen zu finden. Man muss nur etwas genauer hinschauen. Die Pflänzchen keimen bereits im Herbst aus den Samen und blühen im zeitigen Frühjahr, wenn sie noch nicht von anderen Pflanzen überschattet werden. Nach wenigen Wochen werfen sie Samen und die Pflanze stirbt wieder ab. Nur der Samen überdauert die Trockenheit und Hitze des Sommers bis zum nächsten Herbst. Das ist eine besondere Anpassung an Lebensräume, die wenig Wasser zu bieten haben, wie die in der Region typischen Trockenrasen des Steinfeldes.

Erstmals am Gelände gefunden wurde die Wiener Schnirkelschnecke, die abgestorbene Pflanzenteile frisst. Sie braucht höhere Wiesenbereiche, die sie vor Hitze schützen und Verstecke wie Grasbüschel, Laub und kleine Büsche zur Überwinterung. Sie ist wie der blau blühende und in Österreich gefährdete Niederliegende Ehrenpreis eine seltene Art, die von der Umstellung der Pflege auf den Grünflächen des Forschungszentrums profitiert.


Auswahl der am 24. April gefundenen Arten:

Veronica prostrata - Niederliegender Ehrenpreis
Niederliegender Ehrenpreis (Veronica prostrata) bildet im zeitigen Frühling blaue Blütenpolster auf Trockenrasen und Weideflächen und ist in Österreich gefährdet. Er kann sich nur durch Samen ausbreiten, weshalb er durch frühe und häufige Mahd immer seltener wird, weil er dadurch oft nicht mehr zur Samenreifung kommt.

Vicia lathyroides - Zwerg-Wicke
Die kleinwüchsige Zwerg-Wicke lebt auf sandigen Böden mit lückiger Pflanzendecke. Sie braucht zum Keimen und Wachsen viel Licht. An trockenen Standorten kann sie großflächig vorkommen und ist dort wichtige Futterpflanze für Wildbienen.

Poa bulbosa - Zwiebel-Rispengras
Das Konkurrenz-schwache Zwiebel-Rispengras  verwendet neben herkömmlichen Samen einen besonderen Trick zur Verbreitung: Aus dem Blütenstand wachsen unzählige kleine Tochterpflänzchen, die im Mai bis Juni abfallen, bewurzeln und zu neuen Pflanzen heranwachsen. Damit kann es offenen Boden rasch begrünen, solange es nicht durch hochwüchsige Pflanzen verdrängt wird.

Valerianella sp. - Feldsalat
Klein und unauffällig ist die Wildform des Feldsalats auch Vogerlsalat bekannt. Er blüht im zeitigen Frühjahr. Nach ca. 4 Wochen sind die Samen reif und die Pflanzen sterben ab. Erst im Herbst keimen aus den Samen neue Jungpflanzen.

Cerastium glutinosum - Kleb-Hornkraut
Das Kleb-Hornkraut gehört zu den Nelkengewächsen. Wie viele andere Frühlingsblüher im Trockenrasen lebt es nur sehr kurz und überdauert die Sommertrockenheit mit Samen. Die Pflanze ist mit klebrigen Drüsenhaaren besetzt, die wahrscheinlich als Schutz vor Ameisen und anderen Fraßfeinden sowie Pollenräubern dienen.

Erodium cicutaria - Gewöhnlich-Reiherschnabel
Der Gewöhnlich-Reiherschnabel  ist eine der häufigsten Pflanzen in Ostösterreich. Er verträgt auch vielfache Mahd und Trockenheit und überzieht im zeitigen Frühling kurzrasige Flächen mit einem rosa Blütenteppich. Seine länglichen Früchte sehen wie langgezogene Schnäbel aus.

Myosotis ramosissima - Hügel-Vergissmeinnicht 
Nur bei genauem Hinschauen sind die winzigen Blüten des zarten Hügel-Vergissmeinnicht zu entdecken. Oft kommt es aber - dort wo die Bedingungen passen - in großen Mengen vor und lockt mit seinem Nektar Bestäuber wie Wildbienen und Wollschweber an.

Tulostoma brumale - Zitzen-Stielbovist
Der Zitzen-Stielbovist lebt in Trockenrasen in Gemeinschaft mit dem Drehzahnmoos ähnlich wie Bäume in Gemeinschaft mit Pilzen leben. Die Pilzfäden sind in engem Kontakt mit den Moospflänzchen und liefern dem Moos Nährstoffe aus der Umgebung. Im Gegenzug versorgt das Moos den Pilz mit Kohlehydraten, die es aus Wasser, CO2 und Sonnenlicht erzeugt. Der Pilzfruchtkörper entsteht im Herbst und überdauert oft bis ins Frühjahr. Durch die Öffnung an der Spitze werden die Sporen ausgestoßen.

Auswahl an Tieren:

Gryllus campestris - Feldgrille
Die Feldgrille war früher sehr häufig auf Weiden, Böschungen und Rainen zu finden. Sie liebt kurzgrasige, stark besonnte Bereiche. Dort gräbt jedes Tier seinen eigenen Bau – einen bis zu 40cm tief in die Erde reichenden Gang, in dem es auch überwintert. Rund um den Baueingang beißt die Feldgrille alle Pflanzen vollständig ab, sodass der Eingang nur von nackter Erde umgeben ist. So erhitzt sich dieser Bereich in der Sonne stark und die Grille kann sich gut aufwärmen, um „Betriebstemperatur“ zu erreichen. In warmen Nächten im Mai und Juni ist der wohlklingende Gesang der Grillen-Männchen zu hören, die so die Weibchen zur Paarung locken. Da die Feldgrille bereits als Jungtier überwintert und im Frühling schon sehr groß ist, ist sie eine wichtige Nahrung für ankommende Zugvögel. Auch die Dohlen, die am Gelände des Forschungszentrums brüten, sieht man auf der Wiese Feldgrillen jagen.

Caucasotachea vindobonensis - Wiener Schnirkelschnecke
Die Wiener Schnirkelschnecke  lebt in Wiesen und Brachen mit etwas höherer Pflanzendecke, die Schutz vor Hitze bietet. Sie frisst hauptsächlich abgestorbene Pflanzenteile. Zur Überwinterung braucht sie Grasbüschel und kleine Büsche, wo sie sich gut geschützt verkriechen kann. Auf häufig und kurz gemähten Flächen kann sie daher nicht überleben.