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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Zeilensensor auf der Überholspur

17.06.2015
Sensorweltneuheit eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten

Wien, Juni 2015 (AIT) – Schnelligkeit und eine exakte Bildwiedergabe sind das A und O bei der Qualitätsprüfung im Sicherheitsdruck. Herkömmliche Bildsensoren stoßen hier an ihre Grenzen. Das AIT Austrian Institute of Technology, als Weltmarktführer in diesem sicherheitskritischen Bereich, hat einen ultraschnellen Zeilensensor entwickelt, der hochwertige und störungsfreie Bilder liefert. Die Technologie bietet zudem noch weiteres Anwendungspotenzial. 

Falschgeld richtet enormen wirtschaftlichen Schaden an: Allein im ersten Halbjahr 2014 wurden nach Angaben der Deutschen Bundesbank knapp 25.000 falsche Euro-Banknoten im Wert von 1,5 Millionen Euro registriert. Um Geldfälschern ihr kriminelles Handwerk zu erschweren, werden Banknoten mit  speziellen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet. Dazu zählen winzige Strukturen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, sowie Hologramme mit so genannten Kippeffekten – dabei verändert sich das Motiv, wenn man es aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Qualitätsprüfungen beim Druck sollen  mit Hilfe spezieller Kameras sicherstellen, dass diese Merkmale auf jeder Banknote fehlerfrei vorhanden sind.

Das AIT Austrian Institute of Technology  ist am internationalen Markt führend bei der Entwicklung solcher Prüfsysteme für den Hochsicherheitsdruck. Ernst Bodenstorfer, AIT Scientist in der Forschungsgruppe High-Performance Vision: „ Mit der Entwicklung des weltweit schnellsten Zeilensensors stellen wir als AIT erneut erfolgreich unter Beweis, dass wir im Bereich der Hochleistungsbildverarbeitung Spitzentechnologieentwicklung machen. Damit können wir auch in Zukunft Antworten auf die Fragen aus der Industrie geben, um so in etablierten Anwendungsgebieten die technischen Möglichkeiten auszuweiten neue Anwendungsgebiete zu eröffnen.“

Für die Entwicklung eines neuartigen Sensors hat das AIT auch das Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg mit ins Boot geholt. Denn heute verfügbare Sensoren stoßen mittlerweile an ihre Grenzen: Ihre Geschwindigkeit reicht oft nicht aus, um eine Qualitätsprüfung in Echtzeit während des Produktionsprozesses zu gewährleisten. Mit dem 60-Zeilen-Sensor, den die ExpertInnen realisiert haben, gehören diese Nachteile der Vergangenheit an: „Der Sensor ist doppelt so schnell wie heute verfügbare Lösungen und liefert gleichzeitig qualitativ hochwertige Bilder in sehr hoher Auflösung“, erklärt Werner Brockherde vom Fraunhofer IMS. Der Sensor erfasst die Banknoten – ähnlich wie ein Scanner – Zeile für Zeile, wenn sie aus der Druckerpresse kommen. Pro Sekunde nimmt die Kamera dabei bis zu 200.000 Farbbilder auf, bei Belichtungszeiten von Millionstel Sekunden. Eine Software vergleicht die Bildaufnahmen mit einem Sollbild und identifiziert Banknoten mit fehlerhaften Sicherheitsmerkmalen. Um die hohe Geschwindigkeit zu erreichen, haben die WissenschaftlerInnen für jede Pixelspalte eine eigene Auslesekette auf dem Chip integriert. Zudem haben sie spezielle Photopixel entwickelt, dank derer man trotz der kurzen Belichtungszeiten mit herkömmlichen Optiken arbeiten kann. In jeder Pixelspalte werden die drei Farben Rot, Grün und Blau gleichzeitig und über die gesamte Pixelfläche erfasst. Eine weitere Besonderheit des Sensors: Die hohe Anzahl an Zeilen ermöglicht eine Erfassung von Objekten aus unterschiedlichen Blinkwinkeln. Damit lassen sich erstmalig auch Oberflächenstrukturen in 3D wie etwa Kippeffekte von Hologrammen überprüfen.

Eine weitere Besonderheit liegt in der speziellen Architektur des Sensors, die völlig neue Spielräume und Anwendungen eröffnet. „Speziell im Bereich des Sicherheitsdrucks, wie beispielsweise Banknoten, aber auch beim Verpackungsdruck oder beim Labeldruck soll der Sensor in Zukunft neue Möglichkeiten eröffnen. Ein weiteres Anwendungsgebiet, in dem der Sensor entscheidende Vorteile bringt, ist die Prüfung von Infrastruktur wie beispielsweise Gleisanlagen und Autobahnen. Hohe Auflösung und hohe Geschwindigkeit sind hier Voraussetzung für diese sicherheitskritischen Aufgabenstellungen“, so Bodenstorfer. Dank der hohen Zeilenanzahl des Sensors ließe sich darüber hinaus das Wellenlängenspektrum noch bis in den UV- oder Infrarotlicht-Bereich erweitern. Das ist neben dem Hochsicherheitsdruck etwa auch für das Recycling von Kunststoffen interessant, wo der Sensor geschredderte Materialien anhand ihrer Farbinformationen identifizieren und so eine Trennung erleichtern könnte.

Mit der Fähigkeit, auch 3D-Oberflächen zu analysieren, eignet er sich zudem für die Qualitätsprüfung unterschiedlichster Materialien in der industriellen Fertigung. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Überprüfung von Schienen oder Fahrdrähten der Bahn: Selbst bei einer Geschwindigkeit von rund 300 km/h könnte der Sensor gestochen scharfe Farbbilder mit einer Auflösung bis zu 0,4 mm liefern und so winzigste Haarrisse detektieren. Erdnahe Satelliten, die mit einem solchen Sensor ausgestattet sind und die Erde mit einer Geschwindigkeit von 26.000 Kilometern pro Stunde umkreisen, könnten Farbaufnahmen von der Erdoberfläche mit einer Auflösung von 3cm machen.

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